Worum es hier geht:
Wir zeigen hier mal, wie man auf eine Deutungshypothese kommt und wie man sie einbauen kann.
Als erstes liest man sich das Gedicht durch und versucht, zu verstehen, worum es geht und was das Gedicht aussagt.
Das Gedicht ist u.a. hier zu finden.
Das Video hierzu;
Inzwischen gibt es auch ein Video, das hier zu finden ist:
Videolink
Die Dokumentation kann hier angeschaut und heruntergeladen werden:
Weitere Videos zum Thema „Deutungshypothese“ sind als Playlist hier zu finden:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLNeMBo_UQLv2u4lbgVENGX-4egRYCrVE0
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Schritt 1: Worum geht es im Gedicht und was sagt es (anscheinend) aus?
Johann Wolfgang Goethe
Mignon
- Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
- Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
- Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
- Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
- Kennst du es wohl?
- Dahin! Dahin
- Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.
-
- Offensichtlich spricht hier ein wahrscheinlich weibliches Wesen seinen Geliebten an und schwärmt ihm von einem Land vor, in dem die Zitronen blühen, das also im Süden liegt.
- Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,
- Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
- Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
- Was hat man dir, du armes Kind, getan?
- Kennst du es wohl?
- Dahin! Dahin
- Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
-
- Die zweite Strophe wiederholt die Anrede und die Beschreibung einer von etwas Schönem, diesmal ist es allerdings ein Haus. Das scheint aber auch in einer romantischen Gegend zu stehen.
- Diesmal aber wird nicht ein Geliebter angeredet, sondern ein Beschützer.
- Seltsam ist, dass gleichzeitig ein „armes Kind „ angesprochen wird.
- Nachtrag: Nach mehrmaligem Lesen haben wir eine Lösung gefunden: Mit dem armen Kind spricht das lyrische Ich sich selbst an – es leidet anscheinend in einer Gegend, die nicht so schön ist. Deshalb die große Sehnsucht.
- Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
- Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg;
- In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;
- Es stürzt der Fels und über ihn die Flut,
- Kennst du ihn wohl?
- Dahin! Dahin
- Geht unser Weg! o Vater, laß uns ziehn!
-
- Die letzte Strophe ändert dann aber plötzlich das Zielgebiet.
- Jetzt geht es nicht mehr um ein südliches Land, sondern ein Berggebiet, in dem sogar Drachen wohnen.
- Vielleicht hat es in dem Zusammenhang eine Bedeutung, dass die Aufforderung am Ende sich ändert – von „möchte ich“ zu einer Art „muss ich“.
- Diesmal wird ein Vater angeredet.
- Vorläufiges Fazit:
- Das Gedicht scheint zu zeigen (Deutungshypothese)
- drei Sehnsuchtsorte: ein Land, ein Haus und einen Berg
- Dabei kann man die positiven Gefühle in den ersten beiden Fällen nachvollziehen, bei dem Berg kommen aber möglicherweise gefährliche Dinge hinzu.
- Allerdings ändert sich am Ende die Aufforderung – von „möchte ich ziehn“ zu „geht unser Weg“
- Daraus ergibt sich die Deutungshypothese, dass das lyrische Ich eine Sehnsucht nach dem Schönen empfindet, aber auch weiß, dass es auf dem Weg dorthin auch durch raue Gegenden muss.
- Der überraschende und etwas unbefriedigende Schluss könnte dann bedeuten, dass jetzt nicht mehr geträumt werden soll, sondern man will das erst mal Unangenehme schnell hinter sich lassen.
2. Schritt: Wie baut man eine Deutungshypothese in die Analyse ein?
- Jede Analyse beginnt mit einem Einleitungssatz, der Art des Textes, Verfasser, Überschrift nennt und das Thema formuliert
Hier:
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um ein Gedicht von Goethe mit dem Titel „Mignon“.
Thema ist die Sehnsucht nach einem südlich-warmen Land, das man aber nur erreichen kann, wenn man schwierige und gefährliche Berge überquert. - Als nächstes gibt man einen Überblick über den Inhalt
also zum Beispiel- In der ersten Strophe geht es um den Wunsch, in ein südlich-warmes Land zu ziehen, indem sogar Zitronen blühen.
- Die zweite Strophe konzentriert sich dann auf ein schönes Haus in einem romantischen Umfeld, das wohl auch in diesem südlichen Land zu finden ist.
- Die dritte Strophe konzentriert sich auf den Weg in das schöne Land, bei dem aber unangenehme und möglicherweise sogar gefährliche Berge überwunden werden müssen.
- Eine vorläufige Deutungshypothese könnte lauten:
Man versteht das Gedicht am besten so:- dass es einen südlichen Sehnsuchtsort beschreibt, den das lyrische Ich mit Menschen, die ihm nahestehen, erreichen möchte.
- Dafür muss es aber auch eine unangenehme, vielleicht sogar gefährliche Wegstrecke überwinden.
- Der überraschend abrupte Schluss macht deutlich, dass das lyrische Ich nicht mehr weiter träumen will, sondern das schöne Land möglichst schnell erreichen will. Die vielleicht unangenehme Teilstrecke will es mit seinen Begleitern schnell hinter sich bringen.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Analysieren und Interpretieren allgemein
https://textaussage.de/themenseite-analysieren-interpretieren
— - Der Trick mit dem „Rausbildnern“ – so versteht man Gedichte viel schneller und sicherer:
https://textaussage.de/die-rausbildner-technik-so-kann-man-gedichte-sicherer-verstehen-themenseite
— - Gedichte: Wie interpretiert man sie schnell und sicher?
https://textaussage.de/themenseite-gedichte-interpretieren
— - Infos, Tipps und Materialien zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
https://textaussage.de/weitere-infos
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