Epochen der Literaturgeschichte – kurz und bündig (Mat4375)

Was sollte man über die Epochen der deutschen Literaturgeschichte wissen?

Im Folgenden präsentieren wir eine leicht verständliche Übersicht über die Epochen der deutschen Literaturgeschichte von der Barockzeit bis zum Expressionismus.

Im Laufe der Zeit werden wir die einzelnen Epochen auslagern und dann auch mit Textbeispielen anreichern.

Welche Epochen der Literaturgeschichte sollte man (mindestens) kennen?

1.    Worum geht es überhaupt?

Zunächst sollte kurz geklärt werden, worum es sich bei „Literaturgeschichte“ und „Epochen“ überhaupt handelt.

Wie alle anderen Dinge auch entwickelt und verändert sich die Vorstellung von dem, was man in Romanen, auf Bühnen oder auch in Gedichten an Themen behandeln sollte – und wie man das am besten macht. Die Literatur ist genauso wie die Musik, die Kunst oder auch die Kleidung Moden unterworfen. Irgendwann entwickelt jemand etwas Neues, anderen gefällt es, es breitet sich aus und für einige Zeit glauben alle, genauso muss das aussehen, wenn es gut ist und ankommen soll.

Eine Epoche ist nun ein Zeitraum, in dem ähnlich gedacht, formuliert und im Falle der Literatur „gedichtet“ wird.

In der Regel wird erst im Rahmen der Qualifikationsphase, also in den letzten beiden Jahren vor dem Abitur, genauer und umfassend auf die deutsche Literaturgeschichte eingegangen. D.h. ein Abiturient sollte schon grob wissen, seit wann es überhaupt deutsche Literatur gibt und in welchen „Wellen“ und „Schüben“ sie sich entwickelt hat.

In der Sekundarstufe I und im ersten Jahr der Oberstufe ist man meist im Fach Deutsch noch mit anderen Dingen beschäftigt, es gibt aber hin und wieder Themen, die schon Berührungspunkte zur Literaturgeschichte aufweisen. Deshalb sollen im Folgenden einige wichtige literarische Epochen vorgestellt werden, die man gewissermaßen im Bereich des Grundwissens kennen sollte.

2.    Die Zeit des Barock – harte Gegensätze in schrecklichen Zeiten (1600-1720)

Die Epoche, in der die deutsche Literatur eigentlich beginnt, weil die Sprache in „Sprachgeselschaften“ regelrecht gepflegt wird, ist zugleich eine Zeit harter Gegensätze: Auf der einen Seite wird die Schönheit des Lebens dargestellt, auf der anderen Seite ist diese von Vergänglichkeit bedroht. Dabei geht es häufig gar nicht um „normales Sterben“, sondern um Mord und Totschlag, denn das 17. Jahrhundert ist vor allem auch durch die schrecklichen Gräuel des Dreißigjährigen Krieges gezeichnet.
Viele der Gedichte enden mit einer religiösen Mahnung. Sehr konkret wird dabei in dem Gedicht „Tränen des Vaterlandes“ der Dichter Andreas Gryphius: Alles sei durch den Krieg zerstört, aber noch schlimmer sei, dass viele auch noch ihren Glauben verloren hätten.
Und in einem zweiten Gedicht stellt derselbe Dichter über Krieg und Zerstörung hinaus fest: „Es ist alles eitel“ (wertlos) und kein Mensch interessiere sich für das, „was ewig ist“.
Aus all dem Schrecklichen, das sie inhaltlich beschreiben, retten sich die Dichter gewissermaßen in die sehr strenge Form des Sonetts, die immer aus zwei Vierzeilern und zwei Dreizeilern besteht und ein besonderes Versmaß, den Alexandriner, ein sechshebiger Jambus mit einer Zäsur (Trennung) in der Mitte:
„Du siehst, wohin du siehst – – – – – nur Eitelkeit auf Erden.“

3.    Die Zeit der Aufklärung (1720-1785)

Es folgt eine Zeit vor allem philosophischer Bestrebungen: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit […] Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (Immanuel Kant)
Man hofft auf dem Weg der Toleranz und der Vermehrung des Wissens die Welt immer stärker zu verbessern.
Das beste literarische Beispiel ist Lessings Drama „Nathan der Weise“, in dem ein Jude die gefährliche Frage eines muslimischen Sultans, was denn die beste Religion sei, mit der berühmten Ringparabel beantwortet: Sie läuft darauf hinaus, dass es nicht darauf ankommt, welche Religion wahr ist (darüber kann man endlos streiten), sondern welche sich als wahr erweist, indem sie sich auf attraktive Weise präsentiert und die Menschen glücklicher macht. Das kann man nämlich feststellen.

4.    Die Zeit des „Sturm und Drang“:
Gefühlsstürme und aufrührerische Gedanken (1767-1785)

Eine „Hochzeit“ der deutschen Literaturgeschichte ist die Zeit Goethes und Schillers. In ihrer „frühen“ Zeit, d.h. in den 70er und 80er Jahren  des 18. Jahrhunderts sind sie wahre „Stürmer und Dränger“. Goethe schreibt zum Beispiel das Stück „Götz von Berlichingen“, in dem ein Ritter als starker Kerl präsentiert wird. Berühmt ist das Götz-Zitat, da wird kein Blatt vor den Mund genommen. In seinem „Werther“ zeigt er die Gefühlsstürme eines jungen Mannes, der hoffnungslos in ein bereits verlobtes Mädchen verliebt ist. Am Ende erschießt er sich – so ein Selbstmord war ein Skandal zu der Zeit. Auch ein gutes Beispiel für den „Sturm und Drang“ ist Goethes Faust, der wissen will, „was die Welt/im Innersten zusammenhält“, und dafür bereit ist, alles zu riskieren – eigentlich ein sehr jugendgefährdendes Drama.

Goethes Dichterfreund Schiller verfasst mit „Die Räuber“ ein Drama, in dem es um einen „edlen Verbrecher“ mit einem ungeheuren Drang nach Freiheit. Im Drama „Kabale und Liebe“ wird das verkommene Herrschaftssystem der damaligen Zeit heftig kritisiert.

5.    Die Zeit der Klassik: Streben nach Humanität und Harmonie (1786-1805)

Alles hat seine Zeit – die Dichter des „Götz“ und der „Räuber“ blieben nicht ewig „Stürmer und Dränger“. Vor allem Goethes Italienreise veränderte ihn. Er orientierte sich jetzt an den Vorstellungen der alten Römer und Griechen, so wie er sie verstand. Das beste Beispiel ist sein Drama „Iphigenie auf Tauris“, in dem es um eine griechische Königstochter geht, die unter Barbaren leben muss und diese langsam zum Guten hin verändert. Als sie sich aber weigert, König Thoas zu heiraten, will der die Menschenopfer wieder einführen – und damit gerät Iphigenies Bruder Orest, der gefangengenommen worden ist, in tödliche Gefahr. Typisch für die Klassik ist die sehr idealisierte Lösung (Goethe selbst nennt seine Iphigenie „verteufelt human“): Iphigenie flieht nicht einfach mit ihrem Bruder, sondern spricht offen mit Thoas – und dieser lässt sie gemeinsam ziehen.

Man sieht, die Klassiker glaubten an Ideale, an die Möglichkeit der Erziehung und Bildung des Menschen. Schillers Ideal ist die „schöne Seele“, ein Mensch, der seine Pflicht und seine Neigung, also das, was er tun muss, und das, was er tun will, in Übereinstimmung bringt. Ein Weg dorthin war eine „ästhetische Erziehung“ – zum Beispiel durch das Theater.

6.    Die Zeit der Romantik: Sehnsucht nach Unendlichkeit (1798-1835)

Goethe hat zu seinen Lebzeiten noch Dichter kennengelernt, die nicht viel im Sinn hatten mit weiser Beschränkung und Orientierung an den Idealen der Antike. Bezeichnend ist ein Gedicht von Novalis, in dem er sich gegen „Zahlen und Figuren“, also das Berechnende, Rationale wendet. „Singen“ und „Küssen“ ist wichtiger als Gelehrsamkeit. Auf klare Unterscheidungen von Licht und Schatten wird verzichtet, alle Schattierungen des Lebens sind gewollt. Auch die verschiedenen Künste möchte man zusammenführen.

Statt idealen Helden wendet man sich den einfachen Menschen und ihrer Poesie zu, Volksliedern, Märchen. Man glaubt nicht an die eine, feste, erkennbare Wirklichkeit, sondern an Geheimnisse und Unerklärbares. Auch den Schattenseiten des Lebens wendet man sich zu (bsd. der Dichter E.T.A. Hoffmann).

Die Sehnsucht der Romantiker gehört der Unendlichkeit, das Symbol dafür ist die „blaue Blume“. am liebsten möchte man immer auf Reisen sein. Ein berühmtes Beispiel ist die Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ von Joseph von Eichendorff.

7.    Das Junge Deutschland – Vormärz (1830-1850)

Es war vor allem Heinrich Heine, der nach dem Tode Goethes im Jahre 1832 das „Ende der Kunstperiode“ ausrief. Ihm ging es darum, die Lebenswirklichkeit viel stärker in der Literatur sichtbar zu machen. Berühmt ist sein satirisches Versepos „Deutschland. ein Wintermärchen“, das 1844, kurz vor der Märzrevolution 1848 in Deutschland veröffentlicht wurde. In ihm wurde vieles angesprochen, was zur deutschen Kultur gehörte, es wurde aber auch viel kritisiert, vor allem das autoritäre Verhalten der Obrigkeit und der Militarismus. Insgesamt ist es eine äußerst interessante und aufschlussreiche Kombination von Liebe zum eigenen Land und Kritik an den realen Verhältnissen.
Hintergrund war die Zeit der Restauration und der Verfolgung freiheitsliebender Menschen, die als „Demagogen“, also Volksverführer, bezeichneet wurden,  nach dem Sieg über Napoleon 1815. Betroffen war zum Beispiel die Schriftstellergruppe des „Jungen Deutschland“, deren Veröffentlichungen 1835 verboten wurden.

8.    Der „poetische“ Realismus (1850-1890)

Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 zogen sich viele Schriftsteller aus dem Bereich des unmittelbar Politischen zurück, ihr Interesse an den realen Verhältnissen blieb aber. Allerdings wollten sie die nicht ungeschminkt darstellen, sondern in einem künstlerischen Licht. Deshalb spricht man auch vom „poetischen Realismus“. Andere nennen diese Strömung „bürgerlichen Realismus“, weil sie vor allem von gutbürgerlichen Kreisen getragen wurden. Zu diesen gehörten zum Beispiel Theodor Storm mit seinen Novellen (u.a. „Der Schimmelreiter“) oder Theodor Fontane mit seinen Romanen (z.B. „Effi Briest“).

9.    Der Naturalismus (1880-1900)

Während die Literatur wie ein Gemälde künstlerisch gestaltet wurde, wollten die Dichter des Naturalismus die Wirklichkeit ungeschminkt widergeben. Ein typisches Beispiel ist das Drama „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann, in dem das Leiden dieser Menschen und ihre Ausbeutung und der sich daraus ergebende Aufstand präsentiert werden – mit sehr ausführlichen Regiebemerkungen und realitätsnaher Dialektsprache.

10. Die Zeit des Expressionismus: Literatur als Schrei aus Großstadt und Krieg

Sehr ausdrucksstarke Gedichte sind in der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden. Deshalb nennt man diese literarische Epoche auch Expressionismus. Die Dichter ahnen schon den Untergang der schönen bürgerlichen Welt der Vorkriegszeit voraus oder erleben ihn sogar selbst mit. Die Hauptthemen sind die Schrecken der großen Städte, der Zerfall der bestehenden Ordnung und der Selbstsicherheit und vor allem auch der Krieg. Die Sprache wird dabei bis an ihre Grenzen ausgereizt: Bezeichnend ist das Gedicht „Patrouille“ von August Stramm: „Die Steine feinden / Fenster grinst Verrat / Äste würgen / Berge Sträucher blättern raschlig / Gellen / Tod.“
Den Übergang zu einer anderen Verarbeitung schrecklicher Wirklichkeit präsentiert dann Franz Kafka, indem er in vielen kleinen Geschichten und einigen Romanen einen Menschen zeigt, der jederzeit „zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt“ werden kann oder dem ein „Prozess“ gemacht wird, bei dem das Urteil ohne jeden erkennbaren Grund von vornherein feststeht.

11. Ausblick:

Vom Expressionismus zur  „neuen Sachlichkeit“
Diese nüchterne Sachlichkeit, mit der Kafka das Elend und die Schrecken des Menschseins beschreibt, passt zu der auf den Expressionismus folgenden Gegenbewegung. Es handelt sich um die sogenannte „Neue Sachlichkeit“ aus der Zeit der Weimarer Republik. Vorherrschend sind Distanz und Nüchternheit. Das sieht man besonders gut an Kästners Gedicht „Sachliche Romanze“, in der tiefste menschliche Gefühle mit Alltagsgegenständen verglichen werden: „kam ihre Liebe plötzlich abhanden. / Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.“

Zwischen Anpassung und Emigration: Die Zeit des Nationalsozialismus
Die Zeit des Nationalsozialismus führt dann entweder zur Anpassung an die herrschende Ideologie oder zu den beiden möglichen Varianten des Rückzugs. Die Dichter der „inneren Emigration“ versuchen, sich vom herrschenden Regime fernzuhalten und im Rahmen des Möglichen unverfänglich zu schreiben. Sehr viele werden durch durch Flucht und Vertreibung zur wirklichen Emigration gezwungen, wofür besonders Bertolt Brecht steht.

Versuch eines Neuanfangs nach 1945
Nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und den Schrecken des Zweiten Weltkrieges sowie der Massenmorde auf der Basis einer rassistischen Ideologie stehen die Schriftsteller vor großrn Herausforderungen. Was dabei entsteht, wird auch als „Trümmerliteratur“ bezeichnet. Es geht dabei um die Besichtigung dessen, was übrig geblieben ist, und den Versuch des Neuanfangs in einer Art „Stunde Null“.

Krise der Literatur bis hin zur Feststellung ihres Todes
Die nachfolgenden Jahrzehnte sind durch keine einheitlichen Strömungen mehr gekennzeichnet. Auf einen letzten interessanten Wechsel sei aber noch verwiesen: Im Rahmen der Kulturrevolution der Zeit der sogenannten „68er“ wird auch das Ende der Literatur im herkömmlichen Sinne verkündet. Man will die Welt verändern, sie nicht mehr nur mehr oder weniger schön beschreiben.

Die Postmoderne – spielerischer Umgang mit Traditionen
Auf jedes Ende folgt aber auch zumindest der Versuch eines neuen Anfangs. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Postmoderne. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der Roman „Das Parfum“ von Patrick Süskind aus dem Jahr 1985, in der scheinbar wie früher eine äußerst spannende Handlung präsentiert wird. Wenn man genauer hinschaut, stellt man aber fest, dass auf eine sehr ironische Weise mit der literarischen Vergangenheit und Deutungsmöglichkeiten gespielt wird.

Wer noch mehr möchte …