Franz Kafka als Babysitter? Eine vielleicht anregende Vorstellung ;-) (Mat6053)

Zu dieser Geschichte gibt es auch eine Audio-Fassung im mp3-Format

https://textaussage.de/audio6053

Anders Tivag,

Kafka als Babysitter

[Der folgende Text entspricht der Verordnung der Europäischen Kreativitäts-Regelungs-Union (EKRU-202303311433), indem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es sich weitgehend um eine freie Erfindung des Autors handelt, bei der allerdings Elemente der Realität verarbeitet worden sind.]

Es war ein Tag im Herbst 1920 und Kafka war gut zufrieden. Er hatte gerade seine Sicht der Welt in einem kleinen Text mit Maus und Katze auf die kürzestmögliche poetische Formel gebracht. Das Leben war eben ein Prozess ständiger Verengung und am Ende stand der unvermeidliche Untergang.

Er wollte wie häufig einem plötzlichen Impuls folgen und gegen 19.00 Uhr zu einem kleinen Spaziergang aufbrechen. Vielleicht würde er ja etwas entdecken, aus dem sich eine weitere Geschichte machen ließ. Das Gefühl der Befreiung nach erfolgreichem Schreiben war einfach zu verlockend. Er hatte die Haustür noch nicht erreicht, als seine Schwester ihn plötzlich ansprach. Sie müsse noch kurz weg, ob er sich nicht kurz um Mila kümmern könne.

Es kam, wie es kommen musste. Während er noch überlegte, was er sagen sollte, war sie schon aus der Tür.

Da stand er nun in Hut und Mantel und überlegte, was zu tun sei. Gerettet wurde er durch eine zarte Mädchenstimme aus dem Obergeschoss:

„Onkel Franz, willst du mir nicht mal wieder was vorlesen?“

Er ergab sich in sein Schicksal, legte Hut und Mantel ab und überlegte auf dem Weg nach oben, was denn gelesen werden könnte. Mit keinem der Bücher, die bei Mila im Zimmer mehr herumlagen als herumstanden, konnte er etwas anfangen. Da fiel ihm ein, dass er den Zettel mit der letzten Geschichte mitgenommen hatte. Unterwegs kamen ihm häufig die besten Gedanken.

Also gut – warum nicht das. Immerhin ging es um Tiere – und für die interessierte sich Mila eigentlich immer.

Also begann er zunächst mit etwas schleppender Stimme:

Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah.

Der etwas besorgte Gesichtsausdruck Milas verschwand. Immerhin kannte sie ihren Onkel und wusste, dass dessen Geschichten manchmal ziemlich komisch waren.  Aber diese ging wahrscheinlich gut aus. Denn Mäuse konnten ja problemlos über Mauern kletten.

Das leichte Lächeln verschwand dann aber schnell, als sie hörte:

„aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“

Bei dem Wort „Falle“ schaute Mila schon richtig unglücklich und zog sich fast die Bettdecke über den Kopf.

Dann wieder ein bisschen Entspannung. Glücklicherweise machte der Onkel in der Mitte des Satzes eine Pausel.

— „Du musst nur die Laufrichtung ändern“,

Dann fassungsloses Entsetzen im Gesicht Milas, als sie hörte:

sagte die Katze und fraß sie.

Als Kafka merkte, was seine Geschichte angerichtet hatte, wusste er nicht, was er tun sollte.

Aber Mila hatte sich bald gefasst – sie hatte ihren Onkel schon bei anderen Geschichten am Ende ganz schön aus dem Konzept gebracht:

„Sag mal, Onkel Franz, hat die Katze jetzt wirklich die arme Maus gefressen?“

Und als er nickte, kam schon der Vorwurf:

„Warum schreibst du solche Geschichten? Warum geht es immer gegen die Kleinen? Mäuse können so niedlich sein.“

Dann griff Mila gekonnt auf eine der Ideen zurück, mit denen sie schon häufiger zumindest ein bisschen Happy End erzwungen hatte:

„Kann man die Geschichte nicht anders ausgehen lassen?“

Jetzt saß er zwischen allen Stühlen: Auf der einen Seite die Geschichte, die ihm so rund und vollkommen erschien und genau das ausdrückte, was er fühlte. Auf der anderen Seite aber auch diese Herausforderung an ihn als jemanden, der, doch auch mal gesagt hatte: Das Schreiben sei wie eine Axt, mit der man das Eis in einem selbst aufhacken könne.

Jetzt kam es zu dem üblichen Spiel. Er wollte sich wie sonst mit einem kleinen Trick aus der schwierigen Lage befreien: „Tut mir leid, Mila, hast du denn eine Idee, wie man der Maus in dieser Geschichte helfen könnte?“

Glücklicherweise und vielleicht auch leider kam in diesem Moment seine Schwester wieder und erklärte seinen Dienst für beendet. Er konnte verschwinden, die Maus blieb allerdings vorerst ungerettet.

Weitere Infos, Tipps und Materialien

Wir „können“ Kafka natürlich auch ganz ernsthaft 😉
Hier gibt es Infos, Tipps und Materialien zu diesem Dichter:
https://textaussage.de/kafka-themenseite

Zum Thema „Kreativität im Deutschunterricht“
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Zu weiteren Themen des Deutschunterrichts
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