Franz Kafka, „Der Schlag ans Hoftor“ – oder das Verlorensein in einer unberechenbaren Welt (Mat1130)

Gliederung des Textes

Franz Kafka, Der Schlag ans Hoftor

Ausgangssituation

  • Es war im Sommer, ein heißer Tag.
  • Ich kam auf dem Nachhauseweg mit meiner Schwester an einem Hoftor vorüber. Ich weiß nicht, schlug sie aus Mutwillen ans Tor oder aus Zerstreutheit oder drohte sie nur mit der Faust und schlug gar nicht.
  • Hundert Schritte weiter an der nach links sich wendenden Landstraße begann das Dorf.

 

Die Dorfbewohner und ihre Warnung

  • Wir kannten es nicht, aber gleich nach dem ersten Haus kamen Leute hervor und winkten uns, freundschaftlich oder warnend, selbst erschrocken, gebückt vor Schrecken.
  • Sie zeigten nach dem Hof, an dem wir vorübergekommen waren, und erinnerten uns an den Schlag ans Tor.
  • Die Hofbesitzer werden uns verklagen, gleich werde die Untersuchung beginnen.

Die Gelassenheit des Ich-Erzählers

  • Ich war sehr ruhig und beruhigte auch meine Schwester.
    • Sie hatte den Schlag wahrscheinlich gar nicht getan, und hätte sie ihn getan, so wird deswegen nirgends auf der Welt ein Beweis geführt.
    • Ich suchte das auch den Leuten um uns begreiflich zu machen, sie hörten mich an, enthielten sich aber eines Urteils.
    • Später sagten sie, nicht nur meine Schwester, auch ich als Bruder werde angeklagt werden.
    • Ich nickte lächelnd.

Die sich nähernde Gefahr

  • Alle blickten wir zum Hofe zurück, wie man eine ferne Rauchwolke beobachtet und auf die Flamme wartet.
  • Und wirklich, bald sahen wir Reiter ins weit offene Hoftor einreiten.
  • Staub erhob sich, verhüllte alles, nur die Spitzen der hohen Lanzen blinkten.
  • Und kaum war die Truppe im Hof verschwunden, schien sie gleich die Pferde gewendet zu haben und war auf dem Wege zu uns.

Entlassung der Schwester und Zielwechsel der Verfolger

  • Ich drängte meine Schwester fort, ich werde alles allein ins Reine bringen.
    1. Sie weigerte sich, mich allein zu lassen.
    2. Ich sagte, sie solle sich aber wenigstens umkleiden, um in einem besseren Kleid vor die Herren zu treten.
    3. Endlich folgte sie und machte sich auf den langen Weg nach Hause.
  • Schon waren die Reiter bei uns, noch von den Pferden herab fragten sie nach meiner Schwester.
    1. Sie ist augenblicklich nicht hier, wurde ängstlich geantwortet, werde aber später kommen.
    2. Die Antwort wurde fast gleichgültig aufgenommen; wichtig schien vor allem, dass sie mich gefunden hatten.

Vertreter der Macht und „Entmachtung“ des Ich-Erzählers

  • Es waren hauptsächlich zwei Herren, der Richter, ein junger, lebhafter Mann, und sein stiller Gehilfe, der Aßmann genannt wurde.
  • Ich wurde aufgefordert in die Bauernstube einzutreten.
  • Langsam, den Kopf wiegend, an den Hosenträgern rückend, setzte ich mich unter den scharfen Blicken der Herren in Gang.
  • Noch glaubte ich fast, ein Wort werde genügen, um mich, den Städter, sogar noch unter Ehren, aus diesem Bauernvolk zu befreien.
  • Aber als ich die Schwelle der Stube überschritten hatte, sagte der Richter, der vorgesprungen war und mich schon erwartete: »Dieser Mann tut mir leid.«
  • Es war aber über allem Zweifel, dass er damit nicht meinen gegenwärtigen Zustand meinte, sondern das, was mit mir geschehen würde.
  • Die Stube sah einer Gefängniszelle ähnlicher als einer Bauernstube.
  • Große Steinfliesen, dunkel, ganz kahle Wand, irgendwo eingemauert ein eiserner Ring, in der Mitte etwas, das halb Pritsche, halb Operationstisch war.

Schluss-Situation – Frage der Perspektive

  • Könnte ich noch andere Luft schmecken als die des Gefängnisses? Das ist die große Frage oder vielmehr, sie wäre es, wenn ich noch Aussicht auf Entlassung hätte.

    Die Geschichte zeigt:

    • eine scheinbare Normalität
    • in der eine Kleinigkeit, die so klein ist, dass sie nicht einmal real sein muss, etwas Ungeheures auslöst
    • damit auch zugleich die Ungerechtigkeit der Welt, vielleicht auch eine, die höheren Gesetzen folgt – wie etwa im Roman „Der Prozess“
    • das Ausgesetztsein des Erzählers,
    • dem ein schlimmes Ende droht
    • insgesamt ein Verhängnis, bei dem man nicht einmal weiß, was es ausgelöst hat und was es auf den Erzähler richtet.

    Diese Parabel kann man gut vergleichen  mit zwei anderen Parabeln, die wir in dem folgenden Video vorstellen:

    Kafka, einfach erklärt an den Geschichten „Kleine Fabel“ und „Eine kaiserliche Botschaft“

    Dort wird am Beispiel einer Maus deutlich, wie sich ihre Welt ständig verengt, bis ihr am Ende nur noch die Option bleibt, gefressen zu werden – eine absolute Parallele zu „Der Schlag ans Hoftor“.

    Bei „Eine kaiserliche Botschaft“ scheint es anders zu sein – aber auch nur scheinbar: So wie sich dort der Erzähler die „Botschaft“ des Kaisers als des Herrn der Ordnung wünscht, so wünscht sich – wenn auch unausgesprochen – in „Der Schlag ans Hoftor“ der Erzähler gewissermaßen einen Ordnungsruf, der die Welt wieder ins Gleichgewicht bringt und ihn vor einem Ende ohne jede Hoffnung bewahrt. Aber auch der kommt nicht – zumindest nicht in der Geschichte.

    Wer die wichtigsten 12 anderen Geschichten aus unserer Sicht vorgestellt bekommen möchte, findet sie hier im Video:

    Kafka: Überblick über die 12 wichtigsten kurzen Erzählungen (Parabeln, nach Themen sortiert)

    Dort fügen wir jetzt diese Geschichte auch noch ein – wer weiß, was noch dazukommt im Laufe der Zeit.

    Wer noch mehr möchte … 

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