Auf der Seite
https://textaussage.de/schaubild-parabel-erzaehlung-die-etwas-verstaendlich-machen-soll
haben wir gezeigt, was eine normale Parabel in Erzählform ist und welche Bedeutung sie hat.
Wichtig war:
Um ein Verständnisproblem zu lösen, wurde es als „Sachteil“ in eine Geschichte gepackt und dazu wurde dann ein „Bildteil“ hinzugefügt. Manchmal ist es besser, erst mal einem Menschen einen fremden Fall zu erzählen, den er dann begreift.
Wenn das gelungen ist, kann man gemeinsam zeigen, dass diese Erkenntnis auch für seinen „Sachteil“ gilt.
Nun zu Kafka.
Dessen Geschichten sind schwer verständlich.
Beispiel 1: „Kleine Fabel“
Zum Beispiel:
Er selbst gibt uns mit der Kurzerzählung „Kleine Fabel“ eine Verständnishilfe:
https://textaussage.de/kafkas-sicht-der-welt-und-des-menschen-kleine-fabel-und-eine-kaiserliche-botschaft
- „„Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag.
- Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte,
- ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah,
- aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin,
- und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ –
- „Du musst nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.“
Die Überschrift macht schon deutlich, dass das eine Geschichte aus der Tierwelt ist, die wir auf die menschliche Welt übertragen können.
Es gibt auch Menschen – und Kafka denkt anscheinend an viele oder sogar an alle – die finden, dass ihre Welt ihnen erste mal viel zu weit vorkommt – dann langsam übersichtlicher und schließlich immer enger wird, bis man Angst bekommt.
Am Ende sieht man sogar eine Art Falle, in die man geraten kann.
Die Geschichte macht nun brutal deutlich, dass man zwar umkehren kann, aber dann kommt man genauso um.
Beispiel 2: „Gib’s auf“
- „Es war sehr früh am Morgen, die Straßen rein und leer, ich ging zum Bahnhof. Als ich eine Turmuhr mit meiner Uhr verglich, sah ich, dass es schon viel später war, als ich geglaubt hatte,
- ich musste mich sehr beeilen, der Schrecken über diese Entdeckung ließ mich im Weg unsicher werden,
- ich kannte mich in dieser Stadt noch nicht sehr gut aus, glücklicherweise war ein Schutzmann in der Nähe, ich lief zu ihm und fragte ihn atemlos nach dem Weg.
- Er lächelte und sagte: »Von mir willst du den Weg erfahren?« »Ja«, sagte ich, »da ich ihn selbst nicht finden kann.«
- »Gibs auf, gibs auf«, sagte er und wandte sich mit einem großen Schwunge ab, so wie Leute, die mit ihrem Lachen allein sein wollen.“
- Dies scheint als ganz normale Geschichte zu beginnen.
- Auch die überraschende Erkenntnis beim Vergleich von Turmuhr und eigener Uhr ist für Kafkas Zeit nachvollziehbar. Es gab halt nichts Besseres als Turmuhren, die häufiger kontrolliert wurden.
- Auch die folgende Unsicherheit kann man in einer fremden Stadt verstehen.
- Spätestens beim Schutzmann, also einem Polizisten, geht die Geschichte ins Absurde.
- Denn dort bekommt der Ich-Erzähler eine Antwort, die kein Polizist gibt.
- Am Ende dann sogar der volle Schlag: Der Ich-Erzähler soll es aufgeben – das klingt sehr weitgehend, fast allumfassend.
- Und dann noch der fast schon irre Rest, dass dieser Polizist sich schwungvoll wegdreht wie jemand, der mit seinem Lachen allein sein will.
Das könnte jetzt eine reale Erfahrung sein – und dieser Polizist war in Wirklichkeit ein verkleideter Insasse einer Nervenheilanstalt.
Aber mehr Sinn bekommt die Geschichte, wenn man sie auf die Situation des Menschen allgemein überträgt.
- Er lebt in einer geordneten Welt,
- was aber plötzlich nicht mehr gilt.
- Daraus entsteht Unsicherheit
- man wendet sich an die, die für Sicherheit zuständig sind
- und stellt fest, dass sie auch keine zu bieten haben,
- ja sogar auf Grund ihrer Erfahrung und Einsicht wissen und sagen, dass es überhaupt keine Sicherheit gibt.
- Am schlimmsten dann wohl die Erkenntnis, dass diese scheinbaren Sicherheitsexperten sich bereits damit abgefunden haben und sogar darüber lachen können.
— - Jeder kann jetzt selbst überlegen oder nachfragen, wo Menschen schon mal in dieses Gefühl geraten sind, das Kafka in dieser Bild- oder Traumgeschichte beschreibt.
Man sieht hier eine andere Variante dessen, was die Maus in der „Kleinen Fabel“ stellvertretend für die Menschen erlebt hat.
Man kann bei Kafka von einer „einarmigen“ Parabel sprechen. Es wird nur der Bildteil geliefert. Aus dem ergibt sich eine Erkenntnis – und die muss man selbst auf die Realität übertragen. Da bietet es sich unserer Meinung an, ganz allgemein von der Situation des Menschen in der Welt auszugehen.
Weitere Infos, Tipps und Materialien
- Parabeln
https://textaussage.de/parabel-themenseite
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