Anmerkungen zum Gedicht „Sehnsucht nach dem Anderswo“ von Mascha Kaléko

Interpretation des Gedichtes „Sehnsucht nach dem Anderswo“ von Mascha Kaléko

1. Einleitung und Thema

Das Gedicht von Mascha Kaléko mit dem Titel „Sehnsucht nach dem Anderswo“, das um 1940, also in der Zeit des Zweiten Weltkriegs entstanden ist, behandelt genau das Thema, das die Überschrift ausdrückt, nämlich das urmenschliche Phänomen, dass man sich immer nach dem Ort, der Situation sehnt, in der man sich gerade nicht befindet.

2. Der äußere Aufbau des Gedichtes

Das Gedicht besteht aus zwei Strophen mit jeweils vier Zeilen, wobei die erste Strophe einen Kreuzreim enthält, in der zweiten Strophe allerdings reimen sich nur noch der zweite und der vierte Vers, es liegt also eine Störung des festen Reimschemas vor, die auf ihre Bedeutung für den Inhalt überprüft werden muss.

Was das Versmaß angeht, gibt es das erstaunliche Phänomen, dass in den ersten vier Zeilen kein klares Versmaß zu erkennen ist, es gibt sowohl alternierende Zeilen als auch solche, die daktylische Elemente enthalten. Die zweite Strophe dagegen ist klar jambisch konzipiert. Daraus ergeben sich ebenfalls spannende Fragen nach dem Sinn und der Funktion eines solchen rhythmische Aufbaus.

3. Erläuterung des Inhalts

Wenn man sich das Inhalt des Gedichtes anschaut, fällt gleich in der ersten Strophe ein Gegensatz auf: In den ersten beiden Zeilen geht es um das, was „drinnen“, also im Haus, geschieht. Das strahlt viel Gemütlichkeit aus. Dagegen steht dann das, was „draußen“ vorzufinden ist, nämlich der Aufbruch, wie ihn auch Eichendorff in seinem Gedicht „Frische Fahrt“ beschreibt, und das damit verbundene Abenteuer.

Die zweite Strophe ist weniger beschreibend als nachdenklich bestimmt: Es beginnt wie in einer Sentenz mit einer allgemeinen Lebensweisheit, die deutlich macht, dass wir in unserem gesamten Leben immer von Sehnsucht nach einem anderen Ort bestimmt werden.

Die letzten beiden Verse machen dann deutlich, dass das, was in der ersten Strophe geschildert worden ist, nicht die Normalsituation ist, wie sie Eisendorf beschreibt: Dass das „draußen“ immer mit Aufbruch und Abenteuer verbunden ist, sondern jetzt geht es darum, dass man sich dann, wenn man unterwegs ist, eben auch nach dem Zuhause sehnt.

3. Die Intentionalität des Gedichtes

Was die Intention angeht, so wird deutlich, dass es zunächst einmal darum geht, dass dieses Gedicht zeigt, wie sehr diejenigen, die zu Hause sind, in einer sicheren, geborgenen Welt, sich auch nach Fahrt und Abenteuer sehnen. Die zweite Strophe zeigt dann, dass es hier aber nicht darum geht, gewissermaßen zum Aufbruch zu blasen und das positiv gegenüber dem „Zuhausesitzen“ abzugrenzen, sondern es geht um die allgemeine Lebenserfahrung, dass man sich eben, wie der Titel es auch schon ausdrückt, immer nach dem Anderswo sehnt, nie endgültig zufrieden ist mit dem, was man hat.

4. Die künstlerischen Mittel

Was die künstlerischen Mitteln angeht, mit denen die Intentionalität des Gedichtes unterstützt wird, so hat man zunächst einmal gleich am Anfang eine Inversion, die das, was entscheidend ist, nämlich die Ortsbestimmung, nach vorne stellt und die Dinge, die die Gemütlichkeit erzeugen, folgen lässt. Der dritte und vierte Vers der ersten Strophe fallen dann nicht mehr so vom Aufbau aus dem Rahmen, hier geht es eher um die Personifizierung, die im Falle des Windes noch relativ normal ist, beim Abenteuer dann aber schon einen großen Sprung ins Metaphorische macht. Die zweite Strophe ist vor allen Dingen durch ihre sentenzartige Gedanklichkeit bestimmt, auch hier wird das, was entscheidend ist, nach vorne gestellt. Die dritte und vierte Zeile enthält dann eine deutliche Anapher, die deutlich macht, dass es hier um gleichwertige, parallele Situationen geht.

5. Das besondere Mittel der Störungen in der äußeren Form

Schauen wir uns jetzt noch mal die Störungen im äußeren Aufbau an: Was den Reim angeht, könnte man sagen, dass in der ersten Strophe noch eine scheinbare Ordnung gilt, eine einfache Wahrheit: Präsentiert wird die „einseitige“ Sicht dessen, der im Warmen sitzt und sich mehr oder weniger nach dem Abenteuer draußen sehnt. In der zweiten Strophe wird dann diese einfache Wahrheit „gestört“, was eben auch im Reim ausgedrückt wird, und man kommt zu einer neuen Erkenntnis.

Was den Rhythmus angeht, so zeigen seine Brüche die Unruhe in der ersten Strophe, während man in der zweiten Strophe Klarheit hat, was der eindeutig durchgezogene Jambus ausdrückt.

6. Das Sinnpotenzial des Gedichtes

Der Sinne des Gedichtes liegt vor allem darin, dass jeder sich jetzt selbst prüfen kann, inwieweit auf der einen Seite der Traum vom Aufbruch und zum anderen die Erfahrung, dass es, wenn man dann aufgebrochen ist, so etwas wie Sehnsucht nach dem Zuhause gibt, für ihn zutrifft.

Mascha Kaléko: Weitere Infos, Tipps und Materialien

https://textaussage.de/mascha-kaleko-infos-und-materialien-zu-einer-dichterin

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