Kimia Tivag, KI besser als Unterricht? Interview mit einer streitbaren Lehrkraft – gut für Leserbrief und Erörterung (Mat9473-iku)

Worum es hier geht:

Viele nutzen inzwischen die KI für schulische Zwecke.
Von daher lohnt es sich, darüber nachzudenken, was „Generative Sprachmodelle“ wie ChatGPT manchmal mehr Verständnis ermöglichen als normaler Unterricht – und wo sie auch ihre Grenzen haben.

Hier passt ein Zufalls-Interview, das unsere fleißige Mitstreiterin Kima an einer Bushaltestelle führen konnte. Sie hat fast immer ein Aufnahmegerät dabei – und wenn Anonymität mit Pseudonym versprochen wird, bekommt man Interessantes zu hören – über das man auch streiten kann.

Hier der Text zunächst in Vorschau,

dann eine Druckvorlage

Mat9473-ikl Sachtext Interview Leserbrief Erörterung KI vs Lehrkräfte

und dann der Text zum „Direkt-hier-Lesen“:

Kimia Tivag

„KI-Infos besser als Unterricht? Schüler holen sich doch eh nur fertige Antworten!“ – Ein Gespräch mit einem Deutschlehrer, der anonym bleiben will.

Zur Entstehung dieses Interviews

Mia, unsere Mitstreiterin, wenn es um Fragen des Deutschunterrichts geht, hat letztens etwas erlebt, woraus ein schöner Sachext entstanden ist, über den man diskutieren kann.

An einer Bushaltestelle traf sie einen Mann im Gespräch mit seinem Neffen, wie sich später herausstellte. Es ging um die Frage, ob nicht die KI Schülern mehr hilft als der normale Deutschunterricht. Da das bei uns Dauerthema ist, konnte Mia sich vorsichtig einbringen – und am Ende entstand sogar ein Interview – allerdings unter einer verständlichen Bedingung. Es handelte sich nämlich um einen Deutschlehrer, der nicht mit Klarnamen genannt werden möchte. Daher wird er hier „Herr Jonas Liebernicht“ genannt.

 

Mia (ab jetzt M): „Sie sagten gerade, Sie halten von all diesen modernen Möglichkeiten – Social Media, Influencer, KI – im Schulunterricht überhaupt nichts. Darf ich fragen: Warum?“

Herr Liebernich (ab jetzt L): „Weil das alles nur so aussieht, als würde es beim Lernen helfen. In Wahrheit verlernen die Schüler dadurch das Denken. Wenn sie etwas nicht verstehen, tippen sie es kurz in irgendeine KI ein – und glauben dann, sie hätten etwas gelernt. Dabei haben sie nur eine Antwort kopiert.“

M: „Aber ist es nicht gut, wenn Schülerinnen und Schüler sich zusätzlich informieren können? Manchmal erklärt die KI Dinge ja wirklich verständlicher.“

L: „Mag sein – aber das ist doch nicht der Punkt! Die meisten machen doch nur Copy & Paste. Die wollen nicht verstehen, sondern abgeben. Für ein echtes Verständnis braucht man Zeit, Geduld und die Auseinandersetzung mit einem Text – und dafür sind viele nicht mehr bereit.“

M: „Sie glauben also, die KI-Systeme ersetzen keine Lehrkräfte?“

L: „Aber selbstverständlich nicht! Die KI produziert da irgendeinen Antworttext oder fertige Hausaufgaben – das wird eingepackt, vielleicht abgeschrieben – und das war es dann. Unterricht ist etwas völlig anderes: Wir führen die Schüler in größere Zusammenhänge ein. Wir erkennen, wo ein Denkfehler sitzt. Wir bleiben dran, auch wenn der Funke nicht sofort überspringt.“ Die KI antwortet nur auf einen – wie heißt das noch – Promptbefehl – und dann kommt eine Antwort – und das war es dann.“

M: „Trotzdem: Viele Jugendliche sagen, sie lernen besser mit der KI als in der Schule.“

L: „Ja – weil die KI auf schnelle Antworten aus ist – und mein Neffe hier hat mir sogar erzählt, dass sie einem gerne nach dem Mund reden. Es geht ja letztlich um Nutzerzahlen – und da will man niemanden nicht verärgern. Es geht also nicht nur um Lernen ohne Mühe, sondern auch noch um Vermeidung unangenehmer Rückmeldungen. Wenn ich einen längneren Text vorlege – bekomme ich schon Stöhnen zu hören. Und wenn ich etwas kritisiere, bekomme ich böse Blicke oder sogar Tränen.

M: „Was könnte denn im Unterricht verändert werden, damit die KI nicht mehr so nötig ist.“

L: Dazu ließe sich viel sagen – aber – schauen Sie – unser Bus kommt. Und wie gesagt: Wenn Sie das Gespräch veröffentlichen, dann nicht mit meinem Namen – aber den hatte ich Ihnen ja sowieso nicht gesagt.

aus: Durchblicke bis auf Widerruf – Online-Zeitschrift für Schule und Studium 11/2026

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