Klausur: Novalis „Wohin ziehst du mich …“ Vergleich Romantik Sturm und Drang (Mat8157)

Worum es hier geht:

Wir präsentieren hier eine Klausur, an der deutlich wird, dass ein Gedicht der Romantik durchaus auch Bezüge zum „Sturm und Drang“ aufweisen kann.

Wie weit die gehen und wie tief die reichen, ist Gegenstand der Interpretation.

Aufgabenstellung:

  1. Analysieren Sie das Gedicht „Wohin ziehst du mich…“ von Novalis, indem Sie
    1. es kurz mit Angabe des Themas vorstellen
    2. den Inhalt kurz zusammenfassend beschreiben
    3. aus dem Gedicht die zentralen Aussagen herausarbeiten
    4. und zeigen, wie diese mit sprachlich-rhetorischen Mitteln unterstützt werden
  2. Zeigen Sie auf, inwieweit dieses Gedicht Kennzeichen der Epoche der Romantik aufweist, aber auch solche der Epoche des Sturm und Drang.

Der Text des Gedichtes

Novalis

Wohin ziehst du mich…

  1. Wohin ziehst du mich,
  2. Fülle meines Herzens,
  3. Gott des Rausches,
  4. Welche Wälder, welche Klüfte
  5. Durchstreif ich mit fremdem Mut.
  6. Welche Höhlen
  7. Hören in den Sternenkranz
  8. Cäsars ewigen Glanz mich flechten
  9. Und den Göttern ihn zugesellen.
  10. Unerhörte, gewaltige
  11. Keinen sterblichen Lippen entfallene
  12. Dinge will ich sagen.
  13. Wie die glühende Nachtwandlerin
  14. Die bacchische (Anm1) Jungfrau
  15. Am Hebrus (Anm2) staunt
  16. Und im thrazischen (Anm3) Schnee
  17. Und in Rhodope (Anm4) im Lande der Wilden
  18. So dünkt mir seltsam und fremd
  19. Der Flüsse Gewässer
  20. Der einsame Wald

Anmerkungen zu einzelnen Textstellen

  • Anm1: „bacchisch
    Adjektiv zu Bacchus
    „„Bacchus, auch Dionysos: „Gott des Weines, des Rausches, des Wahnsinns und der Ekstase, in der griechischen Mythologie. Bacchus war bei den Römern als Name von Liber pater, dem ursprünglichen italischen Gott des Weines und der Fruchtbarkeit, gebräuchlich.“
    https://de.wikipedia.org/wiki/Bacchus
  • Anm2: „Hebrus
    „Die Mariza, auch Maritza geschrieben […] lateinisch Hebrus […]ist ein Fluss, der die Landschaft Thrakien in Südosteuropa durchfließt. In ihrem unteren Verlauf bildet sie zu einem kleinen Teil die Grenze zwischen Griechenland und Bulgarien und anschließend die kontinentaleuropäische Grenze zwischen Griechenland und der Türkei.“
    https://de.wikipedia.org/wiki/Mariza
  • Anm3: „thrazisch
    Adjektiv zu: „Thrakien oder Thrazien [… ]ist eine Landschaft auf der östlichen Balkanhalbinsel, die heute zu den Staaten Bulgarien, Griechenland und Türkei gehört.“
    https://de.wikipedia.org/wiki/Thrakien_(Landschaft)
  • Anm4: „Rhodope
    „Die Rhodopen [… ]aus dem Thrakischen für „Gebiet des rotbraunen Flusses“) sind ein bewaldetes Rumpfgebirge, das zu 83 % im Süden Bulgariens und zu 17 % im Norden Griechenlands liegt.https://de.wikipedia.org/wiki/Rhodopen

Hinweise zur Lösung:

  1. Wohin ziehst du mich,
  2. Fülle meines Herzens,
  3. Gott des Rausches,
    • Das Gedicht beginnt mit der Frage des lyrischen Ichs, wohin es gezogen wird.
    • Es wird dann auch angegeben, was dieses Ziehen verursacht
    • Es ist die Fülle des Herzens.
      Das heißt, das Herz ist voller Gefühle, vielleicht sogar übervoll.
    • Hier ist es durch aus sinnvoll, diese Zeile schon mal anzustreichen vor dem Hintergrund der zweiten Aufgabe. Denn dieser Gedanke passt durchaus auch zum Sturm und Drang.
    • Jetzt eine Anmerkung für die, die zufällig das folgende Werk kennen:
      Man denke etwa an Goethes Werther. Von dem könnte diese Formulierung direkt stammen.
    • Und der Gott des Rausches.
    • Mit dem Gott des Rausches ist es sicherlich etwas schwieriger. Aber zum Sturm und Drang gehört sicherlich auch die Bereitschaft, sich mal etwas Besonderes zu gönnen und aber vielleicht auch die Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft zu übertreten.
  4. Welche Wälder, welche Klüfte
  5. Durchstreif ich mit fremdem Mut.
    • Die Wälder und die Klüfte sind dann natürlich eher schon etwas, was in erster Linie zur Romantik gehört
    • Wieder ein Hinweis nur für die, die das Werk kennen:
      Aber es wäre durchaus auch in einem Monolog etwa von Schillers „Die Räuber“ möglich.
  6. Welche Höhlen
  7. Hören in den Sternenkranz
  8. Cäsars ewigen Glanz mich flechten
  9. Und den Göttern ihn zugesellen.
    • Diese Anspielung auf eine Heldenfigur der Antike passt sicherlich auch zur Selbstüberhebung der Stürmer und Dränger – bis hin zur Idee, eine Art „zweiter Gott“ zuu sein, wie sie für den Sturm und Drang typisch war.
  10. Unerhörte, gewaltige
  11. Keinen sterblichen Lippen entfallene
  12. Dinge will ich sagen.
    • Auch die Bereitschaft und Annahme der Fähigkeit, etwas Unerhörtes aussprechen zu können, passt zum Sturm und Drang.
      Allerdings dürfte dort der Inhalt dann anders sein als in der Epoche von Novalis.
  13. Wie die glühende Nachtwandlerin
  14. Die bacchische (Anm1) Jungfrau
  15. Am Hebrus (Anm2) staunt
  16. Und im thrazischen (Anm3) Schnee
  17. Und in Rhodope (Anm4) im Lande der Wilden
  18. So dünkt mir seltsam und fremd
  19. Der Flüsse Gewässer
  20. Der einsame Wald
    • Hier geht es vor allem um Naturerfahrung, die in dieser angerichteten Form nicht unbedingt für den Sturm und Drang typisch ist.

Insgesamt hat es sich als sinnvoll erwiesen, bei einer ersten genauen Durchsicht des Gedichtes schon die zweite Aufgabe im Auge zu haben. Allerdings sollte man sich diese Auswertung dann tatsächlich für die Lösung dieser Aufgabe aufsparen und hier nur beschreiben, was das lyrische Ich präsentiert.
Wir wollten einfach zeigen, wie man einen Teilaspekt der ersten Aufgabe schon nutzen kann für die Lösung der 2. Aufgabe.

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