Kreativ sein: Wie schreibt man eine Schauerballade? (Mat355)

Worum es hier geht:

Wenn man ein paar Balladen im Deutschunterricht behandelt hat, wird es höchste Zeit …
… es auch mal selbst zu probieren.

Auf dieser Seite beschreiben wir, wie man selbst eine „Schauerballade“ schreibt.

  1. Zunächst geht es um einige Vorklärungen. In einem ersten Schritt muss man sich klarmachen, was denn eine Ballade ausmacht.
  2. Dann sollte man sich selbst fragen, was einem „schaurig“ vorkommt.
  3. In einem dritten Schritt lohnt es sich natürlich, berühmte Schauerballade als Anregung heranzuziehen.

Schritt 1: Was gehört zu einer Ballade?

  • Mach dir zunächst noch einmal klar, was das Besondere einer Ballade ist.
    • Gedicht, meistens mit Reim
    • Dramatisches Geschehen
    • Eine Handlung wird wie in einer spannenden Geschichte „erzählt“

Schritt 2: Was ist für mich bzw. dich eigentlich schauerlich?

Überlege dir, was du unter „schauerlich“ verstehst. Am besten schreibst du alles auf, was dir spontan dazu einfällt.

  • Man ist allein zu Hause und hört ein Geräusch.
  • Man ist abends oder in der Nacht unterwegs und sieht plötzlich am Straßenrand etwas, was sich bewegt.
  • Die gleiche Situation – nur diesmal ist es ein Geräusch, das einen erschreckt.
  • Man sieht in einem Film eine Frau, die allein im Haus ist und plötzlich bemerkt, wie sich der Türknauf oder die Türklinke bewegt.
  • Oder aber: Man sitzt an seinem Schreibtisch und achtet gerade nicht auf den Bildschirm – dann sieht man da plötzlich, wie sich dort etwas tut, der Mauszeiger bewegt sich, Objekte verändern ihre Position – und plötzlich erscheint auch noch eine blutig-rote große Schrift.
  • Man steigt in ein Taxi und stellt plötzlich fest, dass die automatische Türverriegelung aktiviert wird.
  • Man ist mit einem Menschen allein im Aufzug, der sich seltsam verhält.

 

Schritt 4: Sich von berühmten Balladenbeispielen „inspirieren“ lassen:

Erst in einem nächsten Schritt sollte man sich berühmte Beispiele für Schauerballaden anschauen, weil sonst gleich die eigene Kreativität überlagert wird.

Beispiel 1: Eine Frau, die sich zu laut beklagt und dafür auf unheimliche Weise bestraft wird.

Als erstes wird häufig die Ballade „Lenore“ von Gottfried August Bürger genannt. In ihr geht es um eine junge Frau, die Gott in harten Worten anklagt, weil ihr Verlobter zu lange durch Kriege von ihr ferngehalten wird.

  • Lenore fuhr ums Morgenrot
  • Empor aus schweren Träumen

Schließlich kommt er als Geist zu ihr:

  •  „Ich darf allhier nicht hausen!
  • Komm, schürze, spring und schwinge dich
  • Auf meinen Rappen hinter mich!
  • Muß heut noch hundert Meilen
  • Mit dir ins Brautbett eilen.“

Die Ballade endet damit, dass Lenore begreift, dass sie mit einem Toten unterwegs ist. Am Ende bringt dieser sie auch in ihr Grab.

https://de.wikipedia.org/wiki/Lenore_(Ballade)

Beispiel 2: Ein König, der für seinen Hochmut bestraft wird:

Zu „Leonore“ passt gut Heines Ballade „Belsazar“, denn dort erscheint einem gotteslästerlichen König plötzlich eine geheime Schrift an der Wand, die sein Ende ankündigt, das dann auch eintritt.

  • Doch kaum das grause Wort verklang,
  • Dem König ward’s heimlich im Busen bang.
  • Das gellende Lachen verstummte zumal;
  • Es wurde leichenstill im Saal.
  • Und sieh! und sieh! an weißer Wand
  • Da kam’s hervor wie Menschenhand;
  • Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
  • Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/deutsche-balladen-aus-ferdinand-avenarius-balladenbuch-8389/82

Beispiel 3: Ein Vater, dem das Kind beim Ritt nach Hause in den Armen stirbt

Dann fällt einem natürlich der „Erlkönig“ ein, eine Ballade, in der ein Vater auf einem nächtlichen Heimritt nicht begreift, was für geisterhafte Erscheinungen seinen kleinen Sohn quälen, den er im Arm hält. Am Ende ist er tot.

  • Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
  • Es ist der Vater mit seinem Kind;
  • Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
  • Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.
  • Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
  • Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
  • Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? –
  • Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif

https://de.wikipedia.org/wiki/Erlk%C3%B6nig_(Ballade)

 

Beispiel 4: Auch in unheimlicher Gegend unterwegs – aber mit glücklichem Ausgang

Dann natürlich der berühmte „Knabe im Moor“, den die einsame und zugleich gefährliche Umgebung an alle möglichen Schauergeschichten erinnert, die er schon gehört hat. Am Ende ist er froh, dass er es es glücklich hinter sich gebracht hat.

  • O schaurig ist’s übers Moor zu gehn,
  • Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
  • Sich wie Phantome die Dünste drehn
  • Und die Ranke häkelt am Strauche,
  • Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
  • Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
  • O schaurig ist’s übers Moor zu gehn,
  • Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

http://gutenberg.spiegel.de/buch/annette-von-droste-h-2845/30

 

Beispiel 5: Dann noch eine weitere Ballade, in der es um die schauerliche Nacht geht, die ein Turmwächter in der Nähe eines Friedhofs erlebt.

  • Der Türmer, der schaut zu mitten der Nacht
  • Hinab auf die Gräber in Lage;
  • Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht:
  • Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.
  • Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:
  • Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,
  • in weißen und schleppenden Hemden.

http://gutenberg.spiegel.de/buch/johann-wolfgang-goethe-gedichte-3670/4

 

Amerika, das Land der unbegrenzten Schaurigkeiten

  • Amerika ist immer noch ein wildes Land
  • das ist vielleicht nicht jedem hier bekannt
  • Jedoch den lieben kleinen Frank,
  • den machte es im Urlaub krank.
  • An einem Abend, welcher Schreck
  • War’n seine Eltern plötzlich weg
  • Sie waren noch kurz rausgegangen
  • Da war er plötzlich “abgehangen”
  • Das ist kein gutes Deutsch, ich weiß
  • Jedoch die Sache wurd so heiß
  • Gefahr sah er bei jedem Baum
  • Platz für Grammatik war da kaum.
  • Rennst du im Dunkeln durch den Wald,
  • Da wird dir schnell die Seele kalt
  • Es läuft dir eiskalt übern Rücken
  • Du würd’st gern ‘nen Revolver zücken.
  • Doch sowas hast du nicht dabei
  • Die Beine dafür voller Blei
  • Kommt dann ein Schrei vom Wegesrand
  • Bist du total im Stein gebannt.
  • Du greifst verzweifelt zu ‘nem Ast
  • Willst machen eine kleine Rast
  • Da wird es glitschig in der Hand
  • Schon bist du außer Rand und Band
  • Ich schaff das, bin ich Läufer doch
  • Schon steckst du in ‘nem tiefen Loch
  • Und an dem morastigen Grund
  • Machst du ‘nen fürchterlichen Fund

Einfach weitermachen – der Boden ist ja schon bereitet 🙂

Diese Beispiel-Ballade ist natürlich noch nicht fertig – aber sie zeigt, wie man vorgehen könnte – und das reizt doch am meisten, einfach die nächsten Strophen selbst zu schreiben.

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