Mündliche Abiturprüfung – Vorbereitung der besonderen Art: Verbindung von Romantik und „Nathan der Weise“ (Mat5270)

Worum es hier geht:

Kluge Schülis bereiten sich ordentlich auf eine mündliche Abiturprüfung vor, indem sie

  • den gesamten Stoff noch mal wiederholen,
  • sich auf Schwerpunktthemen des Unterrichts
  • und Lieblingsfragen der Lehrkraft konzentrieren,
  • alles schön übersichtlich auf wenigen Zetteln unterbringen, die man gut „im Kopf“ haben kann.
  • Außerdem checken sie noch mal ihre methodischen Kenntnisse
  • und konzentrieren sich auch hier auf die Aspekte, in denen sie sich am meisten verbessern können – getreu dem Grundsatz: „Arbeite nicht an deinen Schwächen, sondern an deinen Stärken!“ Dieser Satz ist natürlich provokativ gemeint, soll aber auf das aufmerksam machen, was einen nicht runterzieht, sondern das Selbstvertrauen stärkt.
  • Wer das alles schon wusste – nicht ärgern, sondern sich beglückwünschen. Ansonsten gilt auch hier: Das wirklich Wichtige kann man ruhig öfter hören oder lesen – es prägt sich dann besser ein. Vielleicht entdeckt man auch noch etwas, woran man bisher nicht gedacht hat.

Was machen aber Schülis, die taktisch oder sogar strategisch denken?
„Triggerwarnung“: Wer sich weniger für Grundsätzliches und Hintergründe interessiert, sollte gleich zum nächsten Punkt springen:

  1. Sie haben alles längst gemacht, was wir oben aufgeführt haben.
  2. Dann aber geht es in den Premium-Bereich. Das kann man am besten mit der Vorbereitung einer Fußballmannschaft vergleichen.
    1. Natürlich muss man fit sein,
    2. sich neue Taktiken ausdenken,
    3. an der einen  oder anderen Schwäche arbeiten
    4. und natürlich an seinen Stärken – s.o.
    5. Aber dann kommt das Plus: Für eine Mannschaft ganz klar: Man stellt sich auf den Gegner ein, überlegt, wie der sich wohl vorbereitet und stellt sich möglichst optimal darauf ein.

      Für alle Lehrkräfte, die hier mitlesen: Sie sind nicht der Gegner, sondern Sie kämpfen im Idealfall zusammen mit dem Prüfling an einem optimalen Spielverlauf. Gegner sind ist all das, was passieren kann: Zum Beispiel haben Sie ganz ohne Absicht ein Gedicht für den ersten Prüfungsteil ausgesucht, das für Schülis eine besondere Schwierigkeit enthält – z.B. Ironie, die nicht leicht zu erkennen ist. Oder Sie haben nicht damit gerechnet, dass ein Spitzenprüfling genau eine Schwäche hat – und die haben Sie aus Versehen voll getroffen.
      Ach übrigens: Die Überlegungen, die wir gleich anstellen, sind genau die, die bei der Vorbereitung einer Prüfung ja auch eine Rolle spielen.
      Warum sollen Lehrkraft und Prüfling sich nicht auf Augenhöhe begegnen?

Beispiel für taktisch/strategische Vorbereitung einer mündlichen Abiturprüfung

  • Man stellt Vorüberlegungen an:
    • 30-Minuten-Mini-Klausur im ersten Teil: Da könnte gut ein Gedicht drankommen.
    • Die Lehrkraft steht auf Romantik – also suchen wir in dem Bereich was.
    • Man weiß gemeinsam, dass man intensiv am Theaterstück „Nathan der Weise“ gearbeitet hat.
    • Also überlegt man mal, welches Gedicht der Romantik eine gute Möglichkeit bietet für eine entsprechende Überleitung zum 2. Prüfungsteil:
  • Als erstes muss man sich klar machen, welche Gemeinsamkeiten (ggf. auch Unterschiede) es gibt zwischen dem Denken und Schreiben der Romantiker und dem, was der Aufklärer Lessing in sein Theaterstück gemacht hat.
    • Vater-Kind-Beziehung oder die Kunst des Loslassens 😉
    • Problematik von Vorurteilen (bsd. gut am Tempelherrn und seiner Entwicklung zu studieren)
    • Die Frage des richtigen Verhältnisses von innerer Überzeugung und Toleranz auch gegenüber anderen Überzeugungen
    • Die Frage der Liebe und das von Lessing ausgeklammerte Problem einer mehr als geschwisterlichen Beziehung zwischen Recha und dem Tempelherrn
    • es gibt vielleicht noch mehr, aber wir wollen ja auch zeigen, dass man es mit der Vorbereitung nicht an der falschen Stelle zeitlich übertreiben soll – man hat ja noch anderes zu tun 😉
  • Man sucht nach passenden Gedichten:
    Hier bietet sich zum Beispiele eine Übersicht über romantische Gedichte an, die diese nach Themen ordnet:
    https://textaussage.de/gedichte-der-romantik-thematisch
  • Dann schauen wir doch dort mal nach, ob wir was Passendes finden  oder ggf. noch ergänzen müssen 😉

Thema: Vater-Kind-Beziehung

  • Stellen wir erst mal zurück, da wir schon etwas zum Thema „Liebe“ gefunden haben, siehe weiter unten. Das spielen wir jetzt erst mal durch.

Thema: Vorurteile

  • s.o.
  • Aber gerne schon mal selbst suchen.

Thema: Innere  Überzeugung und Toleranz

  • s.o.

Thema Liebe

Test des Gedichtes unter der Frage der „Überleitungsfähigkeit“

Wilhelm Müller

Gute Nacht

  1. Fremd bin ich eingezogen,
  2. Fremd zieh ich wieder aus.
  3. Der Mai war mir gewogen
  4. Mit manchem Blumenstrauß.
  5. Das Mädchen sprach von Liebe,
  6. Die Mutter gar von Eh‘ –
  7. Nun ist die Welt so trübe,
  8. Der Weg gehüllt in Schnee.
  • Anmerkungen dazu:
    • Gleich die ersten Zeilen passen eigentlich schon.
    • Der Tempelherr war Recha am Anfang fremd.
    • Am Ende ist er es wieder.
    • Aber da liegt auch schon der Unterschied.
    • Der könnte aber größer sein, als der gute Lessing sich das in seiner „Kathederhaltung“ gedacht hat.
    • Damit hängt auch die Frage zusammen, ob dieser Tempelherr in der Nicht-Lessing-Pseudo-Liebesrealität sich nicht auch „trübe“ gefühlt hätte.
    • Da könnte man übrigens wunderbar in der Prüfung einen lessingkritischen Punkt machen. Diese Lösung gefällt uns immer besser 🙂 Tja, Glück muss man haben.
    • Aber schauen wir mal, was der Rest des Gedichtes noch zu bieten hat.
  1. Ich kann zu meiner Reisen
  2. Nicht wählen mit der Zeit:
  3. Muss selbst den Weg mir weisen
  4. In dieser Dunkelheit.
  5. Es zieht ein Mondenschatten
  6. Als mein Gefährte mit,
  7. Und auf den weißen Matten
  8. Such ich des Wildes Tritt.
  • Anmerkungen dazu:
    • Das brauchen wir hier nicht, weil es zum Tempelherrn wenig Bezug hat.
  1. Was soll ich länger weilen,
  2. Bis man mich trieb‘ hinaus?
  3. Lass irre Hunde heulen
  4. Vor ihres Herren Haus!
  5. Die Liebe liebt das Wandern, –
  6. Gott hat sie so gemacht –
  7. Von einem zu dem andern –
  8. Fein Liebchen, Gute Nacht!
  • Anmerkungen dazu:
    • Hier taucht natürlich die Frage auf, ob dieser Tempelherr jetzt mit seiner Liebesleidenschaft nicht auch schnell weg möchte.
    • Man muss sich das mal vorstellen: Es gibt einen Film aus dieser Serie, in der Paare mit Hilfe der ARD oder des ZDF (kann jeder selbst prüfen) vor einem Millionenpublikum verheiratet werden.
      Es könnte sein, dass es sich um diese Folge handelt:
      https://www.fernsehserien.de/kreuzfahrt-ins-glueck/folgen/19-hochzeitsreise-nach-barcelona-567247

      • Und dann stellt sich kurz davor heraus, dass das Paar Bruder und Schwester ist.
      • Wir haben die Verzweiflung in den Augen der beiden immer noch im Kopf,
      • bis sich dann natürlich doch alles als Verwechslung herausgestellt hat.
      • Vielleicht hätte Lessing mehr solche Filme sehen müssen, um auch diese tragische Spielart der Beziehungswelt im Auge zu haben.
      • Aber er musste ja seine Religionsansicht per Drama in die Welt hinausbringen, weil sein Herzog ihm Publikationen zur Religionsfrage verboten hatte.
      • Ist ja in Ordnung der Trick.
      • Aber aus der Sicht der Liebe eine Katastrophe.
      • So, das musste jetzt mal raus – jetzt wird es hier hoffentlich wieder sachlicher 😉
  1. Will dich im Traum nicht stören,
  2. Wär Schad um deine Ruh,
  3. Sollst meinen Tritt nicht hören –
  4. Sacht, sacht die Türe zu!
  5. Ich schreibe nur im Gehen
  6. Ans Tor noch »Gute Nacht«,
  7. Damit du mögest sehen,
  8. Ich hab an dich gedacht.
  • Anmerkungen dazu:
    • Diese Strophe bringt direkt auch nicht viel für die Überleitung zu „Nathan“,
    • weil eben eine andere Situation vorliegt.
    • Allerdings hat das Schicksal oder Lessing den armen Tempelherrn auch gezwungen, sich woanders sein Glück zu suchen.
    • Warum soll er also direkt nach dem letzten Auftritt im Stück nicht auch sein Heil in der Flucht suchen. Seine „neue“ Schwester wird das schon verstehen, wenn sie den Schock auch erst mal in Ruhe verkraftet hat 😉

„Antizipation“ der Überleitung

  • Lehrkraft:
    • In dem Gedicht, das Sie eben vorgestellt haben, ging es ja um das Ende einer Beziehung.
    • Wir haben im Unterricht ein Stück gelesen, in dem aus der Liebe in Richtung Ehe am Ende auch nichts wird – und damit meine ich jetzt nicht die mörderische Variante in Büchners „Woyzeck“.
  • Prüfling:
    • Dann kann es sich nur um Nathan handeln.
    • Denn dort ist es ja wie in der ersten Strophe:
      • Der Tempelherr kommt als Fremder in Rechas Leben.
      • Sie verlieben sich
      • und dann muss er ihr wieder fremd werden – zumindest im Hinblick auf eine Ehe.
  • Lehrkraft – jetzt voll gespannt und damit motiviert, selbst der Rest der Prüfungskommission schaut interessiert. So haben selbst erfahrene Lehrkräfte das noch nicht gesehen. Das könnte eine interessante Prüfung werden
    • Können Sie das „Sich-wieder-fremd-Werden“ am Ende mal genauer erklären!?
  • Und dann legt der Prüfling los – jetzt weiß er, er hat schon fast gewonnen. 15 Punkte in Sicht. 🙂

Wir brechen hier mal ab, bevor die Fantasiepferde mit uns noch ganz durchgehen.

Aber wer bis hierhin durchgehalten hat, der hat hoffentlich gemerkt:

  1. Taktisch/strategische Vorbereitung der mündlichen Prüfung ist eine tolle Sache
  2. und kann auch funktionieren.
    Im Rahmen unserer Möglichkeiten sind wir gerne bereit, da auch ein bisschen mitzudenken 😉
  3. Man hat in einem solchen Falle einen optimalen Einstieg
  4. und sicher auch das Wohlwollen der Lehrkräfte in der Prüfung auf seiner Seite – denn sie sind auch froh über jede Prüfung, die nicht nur Pflichtprogramm ist.
  5. Vielleicht kann man Ende sogar etwas aus dieser Erfahrung in das wirkliche Leben mitnehmen und ggf. auch mal Vorgesetzte oder Verhandlungspartner auf ähnliche Weise für sich und seine Sache „einnehmen“ 🙂

Weitere Infos, Tipps und Materialien