Worum es hier geht:
Die Ballade soll wohl deutlich machen, dass ein Übermaß des Glücks einen nicht zur „Hybris“ verführen sollte. So nannten die alten Griechen es, wenn jemand sich schon fast göttergleich fühlte und nur noch Stolz zeigte.
Dahinter steckt die antike Vorstellung, dass das Glück unberechenbar ist und man gewissermaßen bei den Göttern nicht durch Übermacht auffallen sollte.
Hinweis auf eine Hör-Datei im mp3-Format
Dort wird die Ballade so vorgestellt, dass man die Strophen schnell versteht:
https://textaussage.de/audio5094
Zunächst eine Inhaltsangabe der Ballade
- In der Ballade … geht es um den Herrscher des antiken Samos, der stolz auf sein außergewöhnliches Glück ist.
- Bei einem Besuch seines königlichen Freundes aus Ägypten scheint sich das vor ihren Augen immer mehr zu bestätigen.
- Der warnt ihn aber vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen, dass ein Übermaß des Glückes sich auch rächen könne.
- Der Gastgeber lässt sich beeindrucken und folgt dem Rat, selbst für den Ausgleich zu sorgen und das Wertvollste zu opfern. Deshalb wirft er seinen kostbarsten Ring ins Meer.
- Umso erstaunter sind beide, als dieser Ring im Inneren eines gefangenen Fisches am nächsten Tag wieder auftaucht.
- Das jagt dem Gast aus Ägypten so viel Angst ein, dass er fluchtartig nach Hause zurückkehrt. Er will wohl von dem seiner Meinung nach notwendig kommenden Unglück nicht mitgetroffen werden.
Vorstellung und Auswertung der einzelnen Strophen
Friedrich Schiller
Der Ring des Polykrates
(1)
Er stand auf seines Daches Zinnen,
Er schaute mit vergnügten Sinnen
Auf das beherrschte Samos hin.
»Dies alles ist mir untertänig«,
Begann er zu Ägyptens König,
»Gestehe, dass ich glücklich bin.«
- Selbstbewusstsein und fast schon Übermut eines Herrschers, was sein Glück angeht.
(2)
»Du hast der Götter Gunst erfahren!
Die vormals deinesgleichen waren,
Sie zwingt jetzt deines Szepters Macht.
Doch einer lebt noch, sie zu rächen,
Dich kann mein Mund nicht glücklich sprechen,
Solang des Feindes Auge wacht.«
- Warnung des königlichen Freundes vor einem Feind
(3)
Und eh der König noch geendet,
Da stellt sich, von Milet gesendet,
Ein Bote dem Tyrannen dar:
»Lass, Herr! des Opfers Düfte steigen
Und mit des Lorbeers muntern Zweigen
Bekränze dir dein festlich Haar.
- Erste Glücksnachricht aus Milet
(4)
Getroffen sank dein Feind vom Speere,
Mich sendet mit der frohen Märe
Dein treuer Feldherr Polydor –«
Und nimmt aus einem schwarzen Becken,
Noch blutig, zu der beiden Schrecken,
Ein wohlbekanntes Haupt hervor.
- Präsentiert wird der abgeschlagene Kopf eines eines Feindes.
(5)
Der König tritt zurück mit Grauen:
»Doch warn ich dich, dem Glück zu trauen«,
Versetzt er mit besorgtem Blick.
»Bedenk, auf ungetreuen Wellen,
Wie leicht kann sie der Sturm zerschellen,
Schwimmt deiner Flotte zweifelnd Glück.«
- Erneute Warnung des Freundes im Hinblick auf die Flotte
(6)
Und eh er noch das Wort gesprochen,
Hat ihn der Jubel unterbrochen,
Der von der Reede jauchzend schallt.
Mit fremden Schätzen reich beladen,
Kehrt zu den heimischen Gestaden
Der Schiffe mastenreicher Wald.
- Scheinbarer Irrtum, denn die Flotte kehrt reichbeladen zurück
(7)
Der königliche Gast erstaunet:
»Dein Glück ist heute gut gelaunet,
Doch fürchte seinen Unbestand.
Der Kreter waffenkundge Scharen
Bedräuen dich mit Kriegsgefahren,
Schon nahe sind sie diesem Strand.«
- Erneute Warnung des Freundes, die Flotte und das Glück in Sicherheit zu sehen
(8)
Und eh ihm noch das Wort entfallen,
Da sieht mans von den Schiffen wallen,
Und tausend Stimmen rufen: »Sieg!
Von Feindesnot sind wir befreiet,
Die Kreter hat der Sturm zerstreuet,
Vorbei, geendet ist der Krieg.«
- Wieder Wechsel zum Guten: Erneute Glücksnachricht, die Kreter-Gefahr scheint gebannt
(9)
Das hört der Gastfreund mit Entsetzen:
»Fürwahr, ich muss dich glücklich schätzen,
Doch«, spricht er, »zittr ich für dein Heil.
Mir grauet vor der Götter Neide,
Des Lebens ungemischte Freude
Ward keinem Irdischen zuteil.
- Der Gastfreund aus Ägypten erkennt die guten Nachrichte an, aber gerade das Übermäßige des Glücks scheint ihm verdächtig
(10)
Auch mir ist alles wohlgeraten,
Bei allen meinen Herrschertaten
Begleitet mich des Himmels Huld,
Doch hatt ich einen teuren Erben,
Den nahm mir Gott, ich sah ihn sterben,
Dem Glück bezahlt‘ ich meine Schuld.
- Er berichtet von seiner eigenen schmerzlichen Erfahrung mit seinem Sohn.
(11)
Drum, willst du dich vor Leid bewahren,
So flehe zu den Unsichtbaren,
Daß sie zum Glück den Schmerz verleihn.
Noch keinen sah ich fröhlich enden,
Auf den mit immer vollen Händen
Die Götter ihre Gaben streun.
- Verallgemeinerung: Je mehr man Glück hat, desto mehr soll man die Götter um den normalen Ausgleich bitten.
(12)
Und wenns die Götter nicht gewähren,
So acht auf eines Freundes Lehren
Und rufe selbst das Unglück her,
Und was von allen deinen Schätzen
Dein Herz am höchsten mag ergötzen,
Das nimm und wirfs in dieses Meer.«
- Ratschlag, selbst für ein Unglück zu sorgen, indem man das Beste opfert.
(13)
Und jener spricht, von Furcht beweget:
»Von allem, was die Insel heget,
Ist dieser Ring mein höchstes Gut.
Ihn will ich den Erinnen weihen,
Ob sie mein Glück mir dann verzeihen.«
Und wirft das Kleinod in die Flut.
- Der Herrscher von Samos ist beeindruckt und opfert einen Ring, indem er ihn ins Meer wirft.
(14)
Und bei des nächsten Morgens Lichte,
Da tritt mit fröhlichem Gesichte
Ein Fischer vor den Fürsten hin:
»Herr, diesen Fisch hab ich gefangen,
Wie keiner noch ins Netz gegangen,
Dir zum Geschenke bring ich ihn.«
- Am nächsten Tag wird ihm ein gefangener Fisch gebracht.
(15)
Und als der Koch den Fisch zerteilet,
Kommt er bestürzt herbeigeeilet
Und ruft mit hocherstauntem Blick:
»Sieh, Herr, den Ring, den du getragen,
Ihn fand ich in des Fisches Magen,
O, ohne Grenzen ist dein Glück!«
- Bei der Zubereitung des Fisches wird der Ring entdeckt, der ins Meer geworfen wurde.
(16)
Hier wendet sich der Gast mit Grausen:
»So kann ich hier nicht ferner hausen,
Mein Freund kannst du nicht weiter sein.
Die Götter wollen dein Verderben,
Fort eil ich, nicht mit dir zu sterben.«
Und sprachs und schiffte schnell sich ein.
- Der Gast ergreift die Flucht, weil er Angst davor hat, dass jetzt die Götter bei seinem Gastgeber das Glück ins Unglück verkehren.
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