Schiller, „Der Ring des Polykrates“ – als Ballade mit deutlichen Kennzeichen der Klassik (Mat5822)

Worum es hier geht:

Balladen werden normalerweise in der Klasse 7 behandelt und sind in der Regel kein Stoff für die Oberstufe. Umso mehr freut man sich, wenn ausgewiesene Wissenschaftler auf eine Ballade aufmerksam machen, die deutlich Kennzeichen der Klassik zeigt.

Der Text der Ballade ist u.a. hier zu finden.

Auf der Seite:
https://textaussage.de/schiller-der-ring-des-polykrates

sind wir inhaltlich auf die Ballade eingegangen und haben vor allem den Gedanken der Hybris, der Selbstüberhebung des Menschen hervorgehoben.

Hier geht es jetzt darum, zu zeigen, inwieweit diese Ballade nicht nur eine interessante Handlung aufweist, sondern auch Kennzeichen der Klassik.

Wir diskutieren hier Informationen, die in dem Reclam-Band 9625-28, Stuttgart 1974 zu finden sind:
Die deutsche Literatur . Ein Abriß in Text und Darstellung. Klassik, Hrsg. Von Otto F. Best und Hans-Jürgen Schmitt, S. 141/2

  1. Hingewiesen wird zunächst auf den klassischen Stoff, der sich an den altgriechischen Historiker Herodot anlehnt. Hervorgehoben wird dabei das „Verlangen nach stilisierender Verkürzung, zurückhaltendem und gemessenem Vortrag“. Das muss ggf. an der antiken Vorlage überprüft werden. Es ist aber davon auszugehen, dass der Altgrieche andere Maßstäbe hatte als der Dichter der Klassik.
  2. Erhalten bleibe die Einheit des Ortes und der Zeit – und eigentlich ja auch der Handlung. Alles ist also stark komprimiert.
  3. und eben auf ein didaktisches Ziel ausgerichtet, nämlich das „Gesetz des rechten Maßes, das dem Menschen an-gemessen ist.“
  4. In der Ballade sieht der Verfasser den Gedanken der deutschen Klassiker realisiert, „daß der Mensch nur seiner Bestimmung lebt, wenn er sich in Leidensbereitschaft in das ihm zukommende ‚Maß‘ ergibt, seine Grenzen erkennt“.
  5. Damit ergibt sich die spannende Frage, was das heute für uns Menschen bedeutet – in einer Zeit, in der die Furcht vor den Göttern weitestgehend verloren gegangen ist.

Diskussionsanregungen

Wir erinnern in diesem Zusammenhang immer gerne an Dürrenmatts Theaterstück „Die Physiker“, in dem am Ende die fehlende Gottesfurcht als ein Grund für die tendenzielle Selbstvernichtung der Menschheit benannt wird – zwar nur indirekt durch den Pseudo-Salomo-Physiker – das ändert aber nichts an dem Bedenkenswerten des Ansatzes. Deswegen muss man gar nicht religiös argumentieren – man kann auch von Albert Schweitzers „Ehrfurcht“ vor dem Leben ausgehen.

Das Zitat von Möbius- Salomo findet sich am Ende des Dramas und hat damit eine besondere Aussagekraft, in gewisser Weise das letzte Wort:
„MÖBIUS
Ich bin Salomo. Ich bin der arme König Salomo. Einst war ich unermeßlich reich, weise und gottesfürchtig. Ob meiner Macht erzitterten die Gewaltigen. Ich war ein Fürst des Friedens und der Gerechtigkeit. Aber meine Weisheit zerstörte meine Gottesfurcht, und als ich Gott nicht mehr fürchtete, zerstörte meine Weisheit meinen Reichtum. Nun sind die Städte tot, über die ich regierte, mein Reich leer, das mir anvertraut worden war, eine blauschimmernde Wüste, und irgendwo um einen kleinen, gelben, namenlosen Stern kreist, sinnlos, immerzu, die radioaktive Erde. Ich bin Salomo, ich bin Salomo, ich bin der arme König Salomo.“

Das Zitat von Albert Schweitzer findet sich z.B. hier:
https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/albert-schweitzers-ehrfurcht-vor-dem-leben

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