Schillers „Der Handschuh“ – ein Musterbeispiel für eine Ballade – mit kreativen Spielmöglichkeiten

Das Besondere

Schillers Ballade „Der Handschuh“ ist

  1. ein Gedicht, also ein Text in Versform,
  2. zugleich eine Geschichte
  3. die außerdem auch noch dramatisch ist.

Schauen wir uns das mal genauer an:

Auswertung von Strophe 1

Friedrich Schiller

Der Handschuh

 

Vor seinem Löwengarten,

Das Kampfspiel zu erwarten,

Saß König Franz,

Und um ihn die Großen der Krone,

Und rings auf hohem Balkone

Die Damen in schönem Kranz.

 

ZF1: Es geht um die festliche Veranstaltung eines Königs Franz, in der vor einem Löwengarten ein Kampfspiel erwartet wird und zu der sowohl wichtige Herren wie auch Damen erschienen sind.

Also eine ganz normale Einleitung in eine Geschichte, nur eben in Gedichtform.

Auswertung von Strophe 2

Und wie er winkt mit dem Finger,

Auf tut sich der weite Zwinger,

Und hinein mit bedächtigem Schritt

Ein Löwe tritt,

Und sieht sich stumm

Rings um,

Mit langem Gähnen,

Und schüttelt die Mähnen,

Und streckt die Glieder,

Und legt sich nieder.

 

ZF2: In der zweiten Strophe beginnt das Kampfspiel, indem zunächst ein Löwe aus seinem Zwinger in die Arena freigelassen wird, der sich nur kurz umschaut und dann ruhig niederlegt.

Hier kommt schon ein bisschen Spannung rein, die aber gleich abgebaut wird. Umso mehr wirkt es später, wenn dann etwas passiert.

Auswertung von Strophe 3

Und der König winkt wieder,

Da öffnet sich behend

Ein zweites Tor,

Daraus rennt

Mit wildem Sprunge

Ein Tiger hervor,

Wie der den Löwen erschaut,

Brüllt er laut,

Schlägt mit dem Schweif

Einen furchtbaren Reif,

Und recket die Zunge,

Und im Kreise scheu

Umgeht er den Leu

Grimmig schnurrend;

Drauf streckt er sich murrend

Zur Seite nieder.

 

ZF3: In der dritten Strophe kommt als zweites Tier ein Tiger hinzu, der den Löwen nur kurz anbrüllt und sich dann ebenfalls an der Seite niederlegt.

Hier geht es auf die gleiche Weise weiter. Potenzielle Spannung, die aber erst mal pausiert.

Auswertung von Strophe 4

Und der König winkt wieder,

Da speit das doppelt geöffnete Haus

Zwei Leoparden auf einmal aus,

Die stürzen mit mutiger Kampfbegier

Auf das Tigertier,

Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,

Und der Leu mit Gebrüll

Richtet sich auf, da wird’s still,

Und herum im Kreis,

Von Mordsucht heiß,

Lagern die greulichen Katzen.

 

ZF4: In der vierten Strophe kommen als weitere Raubtiere zwei Leoparden dazu, die sich auf den Tiger stürzen, von ihm aber problemlos abgewehrt werden. Da sich auch noch der Löwe mit Gebrüll aufrichtet, wird es gleich wieder ruhig – aber es liegt eine große Spannung in der Luft.

Hier noch mal eine Steigerung der Verzögerung echter Spannung.

Auswertung von Strophe 5

Da fällt von des Altans Rand

Ein Handschuh von schöner Hand

Zwischen den Tiger und den Leun

Mitten hinein.

 

ZF5: In der fünften Strophe kommt etwas völlig Neues hinzu, denn der Handschuh einer Dame fällt in die Arena – mitten zwischen den Tiger und den Löwen.

Jetzt kommt plötzlich Spannung auf – und zwar an einer Stelle, an der man es gar nicht erwartet hat.

Eine Spitzenidee von Schiller.

Auswertung von Strophe 6

Und zu Ritter Delorges spottenderweis

Wendet sich Fräulein Kunigund:

»Herr Ritter, ist Eure Lieb so heiß,

Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund,

Ei, so hebt mir den Handschuh auf.«

 

ZF6: In der sechsten Strophe fordert die Dame, die Kundigunde heißt, den Ritter Delorges, der anscheinend in sie verliebt ist, auf, diese Liebe zu beweisen, indem er ihr den Handschuh zurückbringt.

Hier geht es nicht mehr nur um die wilden Tiere und auch nicht mehr um den Handschuh selbst, sondern um die Herausforderung an einen Ritter. Er hat jetzt nur die Wahl, sein Leben zu riskieren oder seinen guten Ruf.

Auswertung von Strophe 7

Und der Ritter in schnellem Lauf

Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger

Mit festem Schritte,

Und aus der Ungeheuer Mitte

Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

 

ZF7: In der siebten Strophe steigt der Ritter tatsächlich in den Zwinger hinab und holt tatsächlich den Handschuh.

Die halbe Spannung ist wieder weg – aber man fragt sich, wie geht das aus?

Auswertung von Strophe 8

Und mit Erstaunen und mit Grauen

Sehen’s die Ritter und Edelfrauen,

Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.

Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,

Aber mit zärtlichem Liebesblick –

Er verheißt ihm sein nahes Glück –

Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.

Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:

»Den Dank, Dame, begehr ich nicht«,

Und verlässt sie zur selben Stunde.

ZF8: In der achten Strophe sehen alle erstaunt, aber auch mit Grauen, wie der Ritter den Handschuh der Dame zurückbringt. Während alle ganz begeistert sind und ihn feiern und Kunigunde den Ritter zärtlich anblickt, wirft der ihr den Handschuh ins Gesicht und verlässt sie.

Hier der unglaubliche Höhepunkt – nicht in der Arena, sondern in der Konfrontation zwischen dieser Frau und dem Mann. Sie hat ihn bloßgestellt – was wird daraus werden.

Und dann eine Reaktion, die heute wohl nicht mehr als die beste angesehen wird.

Von daher kann man nicht nur über dieses spannende Drama in Geschichten- und Gedichtform nachdenken, sondern die Handlung auch weiterdenken.

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