Schnell durchblicken: Argumentation, Erörterung, Dialektik (Mat4397)

Worum es hier geht:

Drei Wörter machen Schülis mehr oder weniger Probleme:

  1. „Argumentation“: Das ist einfach der Versuch, eine Behauptung zu begründen:
    • „Ich kann am kommenden Wochenende nichts mit euch unternehmen, weil ich mit meinen Eltern zum Patenonkel fahre.“
  2. „Erörterung“:
    Das ist gewissermaßen die Großvariante,

    • mit entweder eine Problemfrage beantwortet wird:
      „Was können wir am Wochenende unternehmen?“
    • Oder eine Entscheidung geklärt wird:
      „Soll ich ihn heiraten?“
  3. „Dialektik“: Das ist was für Experten und Expertinnen, die sich ganz tief in eine Frage hinein“bohren“ wollen:
    • These: „Heirate ihn, denn er macht dich glücklich.“
    • Antithese: „Heirate ihn nicht, denn er dann musst du ihn versorgen. Er hat nämlich kein Geld.“
    • Synthese: „Hilf ihm doch, zu Geld zu kommen, dann seid ihr glücklich und du musst ihn nicht versorgen.“

Dann gehen wir hier mal genauer drauf ein:

Was ist Argumentation überhaupt?

Argumentation ist die Art und Weise, wie man versucht, andere Leute von etwas zu überzeugen (eher die edle Variante) oder auch zu überreden (die nicht so edle, schlimmstenfalls sogar kriminelle Variante).

Beispiel 1: Einer aus einer Gruppe erklärt:

  1. Ich möchte auf gar keinen Fall in diesen Film.
  2. Ich finde das Thema gar nicht gut.
  3. Außerdem habe ich so was Ähnliches schon mal gesehen.
  4. Wir könnten doch mal gucken, ob es nicht auch noch eine Alternative im Programm gibt.
  5. Ich würde euch auch jeweils eine Tüte Popcorn spendieren.

Beispiel 2: Der Klassensprecher erklärt:

  1. Viele Schüler haben echt keine Lust auf Schule.
  2. Das beginnt schon morgens beim Aufstehen.
  3. Und steigert sich dann, wenn der Lehrer irgendwas mitbringt – und wir müssen das einfach lesen oder bearbeiten.
  4. Dabei kommen viel zu wenig unsere Interessen ins Spiel.
  5. Natürlich müssen wir das machen, was in den Lehrplänen steht.
  6. Aber wir könnten doch auch schauen, ob wir das eine oder andere etweas schneller abarbeiten können. Dann haben wir Freiräume für eigene Ideen.
  7. Und die können durchaus auch etwas zu den Zielen des Unterrichts beitragen.
  8. Beispiel: Wir müssen Stadtgedichte besprechen – können wir nicht auch mal ein Gedicht zu eigenen Themen schreiben: Von der Liebe bis zum Fußball?
  9. Oder wir machen das so, dass immer dann, wenn jemand eine eigene Idee zum Thema hat, er das anstelle der normalen Hausaufgabe macht.
  10. Das trägt er dann zu Beginn der nächsten Stunde kurz vor – und schon steigt die Stimmung und wir sind dann auch eher noch bereit, uns wieder mit den Stadtgedichten zu beschäftigen.

Was ist eine Erörterung?

Darunter versteht man eine möglichst systematische, also gut überlegte Klärung einer Frage.

Einmal gibt es die Entscheidungs-Erörterung:

Zum Beispiel: Sollte man im Winter morgens eine Stunde später mit der Schule beginnen?

Dann die Problemerörterung:

Wie kann man Schüler stärker motivieren, sich am Unterricht zu beteiligen.

Was ist „Dialektik“ oder „dialektisch“ und was bringt das?

  1. Dialektik ist ein Vorgang, bei dem man erst mal etwas hinstellt, zum Beispiel eine These.
  2. Dann kommt das Gegenstück dazu, die Antithese.
  3. Anschließend bemüht man sich um die Vermittlung der beiden Gegensätze, die sog. Synthese. Das muss nicht immer der „Mittelweg“ zwischen den beiden Extremen sein, es kann auch eine andere Art von Kompromiss sein – oder sogar eine ganz neue Idee.
  4. Ein berühmter Philosoph hat von einer dreifachen „Aufhebung“ gesprochen. Der Ursprungskonkonflikt wird „aufgehoben“, er verschwindet, aber er bleibt auch versteckt in der Lösung „aufgehoben“ – und diese ist auf einem höheren Niveau, also „aufgehoben“ im Sinne von „höher gehoben“.

Das Problem mit der Sanduhr beim Thema „Dialektik“

  1. Normalerweise wird die Dialektik in der Schule mit dem sogenannten „Sanduhrprinzip“ verbunden: Zuerst kommen dann etwa Contra-Argumente (die du nicht so gut findest). Die werden absteigend sortiert, also die starken am Anfang und am Ende die schwachen – weil immer das am stärksten wirkt, was am Ende steht 😉
  2. Anschließend kommen die Pro-Argumente: Hier beginnst du entsprechend schwach und steigerst dich.
  3. Am Ende kommt die „Synthese“, d.h. das Fazit, das hoffentlich in deinem Sinne ausfällt.
  4. Dies ist aber nur die „große Dialektik“ für Einsteiger. So nennen wir diese ganz grobe Aneinanderreihung der drei Gruppen: These, Antithese, Synthese.
  5. Daneben gibt es die „kleine Dialektik“ – die ist viel wichtiger, denn da wird jedes Argument genauer geprüft. Denn was ist ein starkes Pro-Argument wert: Schüler sollen stärker mitdenken und deshalb auch den Unterricht stärker mitbestimmen. Wenn man nicht gleich auch die Einschränkung mitbedenkt (Vieles können sie gar nicht beurteilen). und dann zu einem guten Fazit kommen: Etwa: Lehrer sollten zumindest ihre Entscheidungen begründen und sie auch erkennbar abändern, wenn Schüler gute Argumente bringen.
  6. Letztlich kann man ein Argument im Pro und Contrag solange prüfen, bis man auf „Felsen“ stößt, über den man nicht hinauskann. Das ist dann „Ende Gelände“. Also: Beim Thema Mitbestimmung landet man am Ende an dem Punkt, dass der Lehrer sich an Vorschriften des Staates muss und auch für die Einhaltung zuständig ist. Entsprechend verringern sich die Spielräume der Schüler.
    Dann kann man höchstens noch anhängen, dass man nach möglichen Kompromissen suchen sollte: Etwa: „Wir müssen Kleider machen Leute lesen“ – aber die Schüler erreichen, dass man das schnell macht und dann eine Modernisierung versucht. Vielleicht sind sie dann im ersten, dem „amtlichen“ Teil sogar so motiviert, dass sie das schnell erreichen und der Zeitraum für den kreativen Bereich sich noch entsprechend vergrößert.

 Was ist das Besondere an einer dialektischen Erörterung?

  1. Das Ziel der Erörterung: Ausgewogenheit und Differenzierung:
    Wichtig bei einer Erörterung ist, dass man selbstkritisch, ausgewogen und differenziert an ein Thema beziehungsweise ein Problem herangeht.
  2. Vorteil der Dialektik:
    Das kann man gut erreichen, wenn man dialektisch vorgeht, weil hier ja immer gleich zur Gegenseite übergegangen wird.
  3. Beispiel: Schulunterricht erst ab 9 Uhr: Forderung = These
    Nehmen wir die Frage, ob man im Winter den Schulunterricht morgens erst um 9:00 Uhr beginnen lassen sollte. Die Forderung danach wäre dann gleich auch schon der Einstieg in Form einer These.
  4. Erster Einwand = Antithese
    Als Gegenthese könnte schnell kommen, dass das sehr viel Aufwand produzieren würde und damit auch Kosten.
  5. Verteidigung der These durh Hinweis auf eine erfolgreiche Alternative:
    Hier  könnte man natürlich gleich polemisch werden und darauf hinweisen, dass in diesem Staat so viel Geld für unsinnige Dinge ausgegeben wird, dass man manches besser für so etwas einsetzen könnte. Besser ist es aber, zum Beispiel auf die Aufteilung des Jahres in Sommerzeit und Winterzeit hinzuweisen. Wenn sich das einmal eingespielt hat, ist das kein Problem mehr.
  6. Die Verteidigung der These als Synthese:
    Das sieht jetzt wie eine Rückkehr zur Ausgangsthese bzw. Forderung aus, ist aber in Wirklichkeit schon eine Synthese, denn die Gegenmeinung wird ja aufgenommen, aber gewissermaßen in ihrer Bedeutung minimiert. Man könnte es auch anders herum formulieren: die Veränderung wird der Gegenseite etwas mehr schmackhaft gemacht.
    Genau das ist ja die dritte Stufe der Dialektik, weil wir möglichst die beiden zunächst gegensätzlichen Ansichten  auf einer höheren, besseren Ebene versöhnt werden.
  7. Synthese als neue These wieder in der Kritik: Abends wird es auch dunkel
    Nun ist es ja immer so, dass der dialektische Prozess und damit auch überhaupt das Finden der besten Lösung nicht dadurch beendet ist, dass man einmal eine Gegenmeinung minimiert und damit letztlich überwunden hat.
    Jede Synthese ist zugleich eine neue These, die wiederum die Gegenseite herausfordert. In diesem Falle könnte darauf hingewiesen werden, dass ein späterer Schulbeginn am Morgen zu einem späteren Nach-Hause-Kommen am Nachmittag führt, was dann auch wiederum in der Dunkelheit geschieht.
  8. Erneute Verteidigung der Ausgangsthese mit Morgen-Abend-Vergleich
    Hier wird jetzt die Befürworter-Seite gefordert und sie könnte zum Beispiel darauf verweisen, das ist ein großer Unterschied ist, ob man noch halb verschlafen morgens im Winter zu Schule kommt und dabei vielleicht noch ungestreute Straßen und Bürgersteige passieren muss oder ob man das eben wach und sicher am Abend macht.
  9. Ausblick auf die Fortsetzung des Ping-Pong-Spiels bis zum hoffentlich guten Ergebnis
    Auf diese Art und Weise kann der dialektische Prozess beziehungsweise die ständig erneute Aufnahme von Einwänden und ihre Überwindung noch eine Weile fortgesetzt werden, bis entweder alle erschöpft sind oder man glaubt, das gesamte Feld der Argumente beackert zu haben – mit einer guten Lösung am Schluss. Ideal wäre natürlich die zweite Variante.

Der Ablauf in einem kleinen Schaubild:

„kontroverse“ Erörterung zur Handynutzung in der Schule

Manchmal wird auch der Begriff „kontroverse“ Erörterung verwendet. Das ist eine, bei der Pro- und Contra-Argumente jeweils beim entsprechenden Gesichtspunkt durchgeprüft wird.
Nehmen wir das Beispiel „Handy-Nutzung im Unterricht“

Da gibt es verschiedene Gesichtspunkte:

1. Störung des Unterrichts

Jetzt wird der erste Gesichtspunkt „durchgespielt“:

  1. Meistens wird gegen Handys eingewendet, sie würden vom Unterricht ablenken.
  2. Das ist grundsätzlich auch ein Problem
    (es folgen Beispiele)
  3. Dabei werden aber zwei Punkte übersehen:
    1. Zum einen können Handys auch den Unterricht fördern, indem kurz etwas recherchiert wird.
    2. Zum anderen kann man eben Regeln festsetzen, wann das Handy wofür genutzt werden kann.
  4. Jetzt kommt der Einwand, dass Schüler sich an diese Regeln nicht halten:
  5. Dann kann man dagegenhalten, dass sie dann von der erlaubten Handy-Nutzung im Unterricht ausgeschlossen werden.
  6. Dann kommt als nächster Einwand, dass der Lehrer nicht kontrollieren kann, was die Schüler gewissermaßen unter der Bank machen.
  7. Dagegen kann man einwenden, dass das dann den Unterricht ja auch nicht stört.
  8. Dann kommt der Einwand, dass die Schüler aber doch was lernen sollen.
  9. Darauf kontert man mit dem Hinweis, dass die Alternative zur heimlichen Handynutzung möglicherweise das Einschlafen von Schülern ist
  10. Abschließend kann man noch darauf hinweisen, dass alle Absprachen, die die Schüler mit in die Verantwortung einbeziehen, besser sind als generelle Verbote.
  11. Dann kommt der nächste Gesichtspunkt, zum Beispiel soziale Probleme, wenn einzelne Schüler mit ihrem teuren Handy rumprahlen.
  12. Das zieht man dann genauso im Pro und Contra durch.
  13. usw.

Wer noch mehr möchte …