Schnell durchblicken: Christina Lavant, „Ach schreien, schreien“ (Mat8212)

Worum es hier geht:

Vorgestellt wird ein Gedicht, das auf beeindruckende Weise, d.h. vor allem mit sprachlichen Bildern, die besondere Situation beschreibt, in der ein Mensch sich befindet, der von seinem Partner verlassen worden ist.

Gefunden haben wir das Gedicht hier:

http://www.planetlyrik.de/christine-lavant-spindel-im-mond/2012/02/

Aus Gründen des Urheberrechts präsentieren wir hier nur die Zeilenanfänge, damit deutlich wird, worüber wir anschließend „reden“.

Zeilen 1-4

  • Ach schreien
  • und bellen
  • Doch lautlos
  • Trank
    • Das Gedicht beginnt, mit einer Klage, deren Intensität durch die Wiederholung des Wortes „schreien“ hervorgehoben wird.
    • Das lyrische Ich wünscht sich, ein Fuchs und zwar ein weiblicher (das scheint wichtig zu sein) zu sein, der seinem Inneren auf animalische Art und Weise durch Bellen Luft verschaffen kann.
    • Diesem Wunsch steht eine Realität gegenüber, in der das lyrische Ich den Schmerz über den Abschied eines wahrscheinlich geliebten Gegenübers auf diese Art und Weise nicht los wird.
    • Die Wiederholung des Wortes „lautlos“ korrespondiert dabei als negatives Gegenstück zu dem erhofften Befreiungsbellen.
    • Wichtig ist noch die Verbindung des Abschieds mit der Vorstellung eines Weins, der irgendetwas mit Tod zu tun hat.
    • Das Wort „würgen“ macht deutlich, dass die normalen Lebensvorgänge hier schmerzlich verzerrt sind.

Zeilen 5-8

  • Und schleiche
  • Geripp
  • durch Schlangenzweige
  • darin du gestern
    • Hier beschreibt das lyrische Ich sich selbst in seiner Situation.
    • Es kann sich nicht mehr normal bewegen, empfindet sich selbst als Nicht-mehr-ganz-real-Wesen, weil es nicht mal mehr einen Schatten wirft.
    • Auch fühlt es sich wie ein Gerippe aus Martern, also aus Qualen. Interessant ist, dass die Stirn „metallen“ ist, also seltsamerweise unveränderlich, vielleicht abwehrend, noch am Alten festhaltend. Aber das reicht natürlich nicht für Lebendigkeit und Entwicklung.
    • Am Ende, dann die Vorstellung von einem negativen, gefährlichen Schlangenwald.
    • Das lyrische Ich hat dabei das Gefühl, durch den Abschiedsverrat seines Partners dort regelrecht in einem negativen Zauber zu stecken.

Zeilen 9-12

  • In deiner Spur
  • die roten Vögel
  • der schwarze Jäger
  • sucht nach
    • Es folgen Bilder, die deutlich machen sollen, wie auf diesem Wege alles Positive verschwindet.
    • Das lyrische Ich will nach einem sicheren Zuhause, aber es findet nur einen trüben Himmel, der keine Orientierung bietet.

Zeilen 13-16

  • Zurück will
  • in meiner Kehle
  • Ich hör
  • das dringt
    • Am Ende dann die Beschreibung einer Situation, bei der alles im Inneren zum alten Zustand zurück möchte.
    • Das führt aber alles nur zu dem oben schon mal angesprochen Würgen.
    • Es gibt hier also keine gesunden Lebensabläufe mehr.
    • Die letzten beiden Zeilen sind dann sehr schwer zu verstehen.
    • Eine Deutungshypothese wäre, dass das Herz immer noch das Positive der kaputten Beziehung sieht, das aber nur noch belastend ist und nicht positiv funktioniert.

Zusammenfassung

Insgesamt ein Gedicht, das auf beeindruckende Weise, d.h. vor allem mit sprachlichen Bildern, die besondere Situation beschreibt, in der ein Mensch sich befindet, der von seinem Partner verlassen worden ist.

Wesentliche Elemente sind dabei:

  • Dass man den Schmerz hinausschreien will, es aber nicht schafft im Vergleich zur animalischen Natürlichkeit von Tieren.
  • Dann das Bild des Würgens für einen Vorgang, der natürliche Erleichterung verschaffen sollte, was aber nicht gelingt.
  • Die Vorstellung von einer nicht mehr menschlichen Fortbewegung in einem gefährlichen Zauberwald, der durch das Verlassen-worden-Sein entstanden ist.
  • Das Bild der Spur des anderen, der man noch folgt, in der man aber als „das fromme Wild“ umkommt, wenn man der Vorstellung einer heilen Welt verbleibt, während man unter einem „trüben Himmelsbild“ keine hilfreiche Orientierung mehr hat.
  • Am Ende dann das rätselhafte, aber ausdrucksstarke Bild von einem Herz, das noch die „Gnade Gottes“ loben will, also noch im besagten Sinne „fromm“ ist, was aber im Kopf, der sich um klare Erfassung der Realität bemüht, nur wie ein „Bellen“ ankommt, das durch „Mark und Bein“ geht.

Anregung:

Die Originalität und der Fantasiereichtum dieses Gedichtes könnte es reizvoll machen, es mit einem Gedicht von Ulla Hahn zu vergleichen, etwa mit:

„Haut und Haar“

Weitere Infos, Tipps und Materialien