Worum es hier geht:
Vorgestellt wird eine der berühmtesten Kurzgeschichten von Heinrich Böll, die die innere und äußere Situation eines Soldaten schildert, der schwerverwundet in ein Lazarett kommt, das sich als seine eigene Schule herausstellt.
Erzählschritte
- Die Geschichte beginnt damit, dass der Ich-Erzähler als Verwundeter an einem Gebäude ankommt, das als Art Lazarett genutzt wird.
- Während der Ich-Erzähler durch das Gebäude getragen wird, sieht er immer mehr Dinge, die ihm bekannt vorkommen.
- Er wehrt sich lange gegen die Erkenntnis, dass es das Gymnasium ist, von dem aus er vor drei Monaten in den Krieg ziehen musste.
- Zwischendurch wird deutlich, wie sehr der Ich-Erzähler vom Krieg geprägt ist. Er lobt die Artillerie, deren Abschüsse er hört.
„Die Artillerie schoß ruhig und regelmäßig, und ich dachte: Gute Artillerie! Ich weiß, das ist gemein, aber ich dachte es. Mein Gott, wie beruhigend war die Artillerie, wie gemütlich: dunkel und rauh, ein sanftes, fast feines Orgeln. Irgendwie vornehm. Ich finde, die Artillerie hat etwas Vornehmes, auch wenn sie schießt. Es hört sich so anständig an.“
Kommentar:
Schon vorher kam es einem als Leser seltsam vor, wie lange der Verwundete braucht, bis er es endlich begreift. Allenfalls geschickt ist die sprachliche Präsentation, die schon das deutlich macht, was das Bewusstsein noch nicht anerkennen will.
Ansonsten wirkt das ziemlich gewollt.
Und diese Anmerkung zur Artillerie verstärkt diesen Eindruck, dass dieses Erzählen nicht die Gedanken eines wirklich Verwundeten sind, sondern nachträgliche Konstruktion mit dem deutlichen Hinweis: Ich bin zwar ein Opfer des Krieges, aber finde die Geräte, die Soldaten verwunden eigentlich anständig. Böll ist sicher ein großartiger Schriftsteller – aber dies ist ein gutes Beispiel, dass das nicht für jede Passage gilt.
Ebenfalls ist die reine Sachlichkeit nicht überzeugend, mit der der Verwundete an seinen Platz in der Inschriften des Kriegerdenkmals denkt. Dass das Kriegerdenkmal in seinem Heimatort seine frühere Gestalt beim Wiederaufbau bekommen soll, nachdem dieser Krieg die Verwüstung bis in diesen Ort gebracht hat, ist regelrecht grotesk. - Auf ähnliche Weise geht es weiter. Wenn dieser Schwerverwundete an seine Schulzeite zurückdenkt, denkt er: „Mein Herz sagte mir nichts.“ Na so was, darauf wären wir nicht gekommen. Hat er keine anderen Sorgen?
Natürlich wissen wir, dass das hier keine Analyse mehr ist. Aber es geht um die Besprechung solcher Texte in der Schule heute – und da muss es nicht nur erlaubt sein, sie aus heutiger Sicht und auch mit kritischer Distanz zu großen Schriftstellern zu betrachten. Nur das ist ein Umgang mit Literatur, der das Verhältnis von Autor und Leser/Leserin ernst nimmt. Und wenn dann jemand von der heutigen Schülergeneration Böll verteidigt, dann hat man doch das, wovon gute Lehrkräfte träumen, nämlich eine echte Diskussion. Zur rein sachlichen Analyse nach Checkliste kann man dann immer noch zurückkehren. - Wir glauben, wir können das hier abschließen. Am Ende geht es noch so weit, dass der Schwerverwundete und nach der Operation für sein Leben Gezeichnete sich nicht mit seiner Zukunft beschäftigt, sondern endlich den letzten Beweis bekommt, dass er in seiner alten Schule gelandet ist. Nachdem er vorher noch einen handschriftlichen Eintrag von ihm selbst auch noch für einen Irrtum meinte halten zu können, sieht er jetzt auf der Tafel sogar noch den von ihm dort hingeschriebenen unvollkommenen Text, der zur Überschrift dieser Kurzgeschichte geworden ist.
Kritische Anmerkung: Die Tafel scheint von niemandem mehr genutzt worden zu sein – in den drei Monaten. Wäre schön gewesen, wenn das damit erklärt worden wäre, dass die ganze Oberstufe in den Krieg musste und also kein Unterricht mehr stattfand.‘
Seltsam auch, dass der ausdrücklich als unvollkommen vorgestellte Schriftzug anscheinend nicht entfernt, die Tafel auch nicht geputzt wurde. Ist die Schule der damaligen Zeit nicht dafür bekannt, dass dort eine Ordnung herrschte, die wir uns heute nicht mehr vorstellen können und zum Teil auch nicht wollen. - Der Schluss der Geschichte zeigt dann, dass Böll geschickt neben der berühmten Titelzeile noch ein weiteres Motiv verwendet hat, nämlich die Milch, die er früher immer nach dem Stress des Unterrichts beim Hausmeister getrunken hat. „Milch“ ist denn auch sein letztes Wort in der Geschichte als Symbol für das, was er sich – möglichst in altem, gesundem Zustand, jetzt wieder wünscht. Dass er das auch direkt dem alten Hausmeister in sein „trauriges Gesicht“ hineinflüstert, verstärkt natürlich die Verschränkung von relativ schöner Vergangenheit und entsetzlicher Gegenwart.
Zusammenfassung:
Insgesamt eine Geschichte, die
- von einer sehr guten Idee ausgeht, nämlich der Konfrontation der Vorgeschichte des Krieges mit seinem Ergebnis.
- Weniger überzeugend wirkt der weit ausgewalzte Erkenntnisprozess, den der Verwundete durchlaufen muss. Es hätte gereicht, wenn er in noch durch die Situation benebeltem Zustand in den OP-Saal getragen worden wäre, dort beim Erwachen die Inschrift gesehen hätte und auf dem Rücktransport durch das Haus all die Bilder u.ä. gesehen hätte.
- Dann wäre diese Geschichte noch überzeugender auf den entscheidenden Punkt, nämlich die mehrfache Bedeutung der Inschrift für den Ich-Erzähler und letztlich auch für uns als Leser zugelaufen.
- Und der Rückweg hätte dann eine Antwort angedeutet, was für ein Denken und Feiern zu dem Desaster geführt hat.
- Und am Ende hätte beim Vorbeitransport am Kriegerdenkmal der Gedanke stehen können, dass sein name da wohl auch bald stehen wird.
— - Am Ende hier noch mal der Hinweis, dass diese kritischen Anmerkungen in keiner Weise am Denkmal dieses bedeutenden Schriftstellers kratzen können und wollen.
- In gewisser Weise kann man jedem Autor dankbar sein, wenn er Texte von großer Wichtigkeit veröffentlicht, die man auch kritisch nachdenken kann.
- Vielleicht hätte Böll sich sogar darüber gefreut, wenn an der einen oder anderen Stelle ein Schüler eine Idee hat, die seinen eigenen großartigen Ansatz noch weiterentwickelt.
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