Klausur: Schnell durchblicken: Oskar Loerke, „Blauer Abend in Berlin“ (Mat4935)

Worum es hier geht:

Wir haben hier ein älteres Material einbezogen. Es wurde in einer Klasse verwendet, um die Schülis auf das damals neue Punkte-System vorzubereiten.
Von der Sache her hat diese Lösung aber immer noch viel zu bieten. Daher präsentieren wir sie hier:

Oskar Loerke,

Blauer Abend in Berlin

(I)
Der Himmel fließt in steinernen Kanälen;
Denn zu Kanälen steilrecht ausgehauen
Sind alle Straßen, voll vom Himmelblauen.
Und Kuppeln gleichen Bojen, Schlote Pfählen

Im Wasser. Schwarze Essendämpfe schwelen         (Esse: Schmiedeherd,)
Und sind wie Wasserpflanzen anzuschauen.
Die Leben, die sich ganz im Grunde stauen,
Beginnen sacht vom Himmel zu erzählen,

III
Gemengt, entwirrt nach blauen Melodien.
Wie eines Wassers Bodensatz und Tand                 (Tand: wertloses Zeug)
Regt sie des Wassers Wille und Verstand

IV
Im Dünen, Kommen, Gehen, Gleiten, Ziehen.
Die Menschen sind wie grober bunter Sand
Im linden Spiel der großen Wellenhand.                  (lind: mild)

 

Aufgabenstellung:

  1. Formuliere zunächst einen ersten Eindruck von Form und Inhalt des Gedichtes!
  2. Erläutere die Bilder in den vier Strophen!
  3. Welcher Zusammenhang ergibt sich zwischen den Bildern?
  4. Wie passen Reim und Rhythmus zur Aussage des Gedichts?
  5. Nimm kurz, aber begründet Stellung zur Feststellung der letzten beiden Zeilen!

 

Loerke, Blauer Himmel über Berlin

Checkliste für die eigene Gedichtinterpretation

Bei den neuen zentralen Prüfungen am Ende der 10 und 13 wird es so sein, dass die Lehrer/innen die Schülerarbeiten nach strengen Vorgaben korrigieren und bewerten müssen.

Wir probieren das heute einfach mal am Beispiel unserer Hausaufgabe aus. Am besten nimmst du dir die Arbeit deines Banknachbarn (Kaum ein Mensch ist ja in der Lage, die eigene Arbeit zu bewerten 😉 und checkst sie anhand der folgenden Liste durch. Prüfe zugleich auch die Liste: Was fehlt? Welche Forderung kannst du nicht nachvollziehen usw.?

Punkte Was herausgefunden worden sein sollte:
5 1.     Aufgabe 1: Äußere Form:
Gedicht mit vier Strophen, zwei Quartette, zwei Terzette, Sonett
2 2.    Ein besonderes Element: die Strophensprünge
3 3.    Reimschema:
identisch in den Quartetten: umarmend, dann cdd/cdd
2 4.    Versmaß:
Fünfhebige Jamben
3 5.    Inhalt des Gedichtes:
Es geht um die Betrachtung einer Stadt an einem Abend, woraus sich Gedanken über das menschliche Leben ergeben.
2 6.    Erläuterung der Bilder in den vier Strophen:
Einleitungssatz: In dem Gedicht wird viel mit Bildern gearbeitet, wobei das Wasser eine entscheidende Rolle spielt.
2 7.    Mit Bildern sind hier Metaphern gemeint
2 8.    VG1: Beginn gleich in Zeile 1: Häuserschluchten werden mit Kanälen verglichen, wobei die steilen Wände und die Tiefe die entscheidenden Vergleichspunkte sind
2 9.    VG1: Erklärt werden muss die Idee mit dem fließenden Himmel: Man könnte es sich so erklären, dass das Blau des Himmels sich in den Straßen spiegelt – oder der Himmel so dominierend hellblau ist, dass das menschliche Auge die Farbe in die Straßen hinein fortsetzt.
2 10.  VG1: Nach den Straßen-Kanälen zwei weitere Vergleichspunkte: Kuppeln-Bojen; Schornsteine-Pfähle
2 11.   VG2:  Übergang bei den Bildern vom Unbelebten zum Belebten -> Wasserpflanzen
2 12.  VG2: Noch ein weiterer Schritt: Das nächste Bild beschäftigt sich mit den Menschen auf dem Grund der Straßen: Sie stauen sich, die Straßen sind also belebt.
4 13.  VG2: Schwierig ist es, das Bild des „Erzählens“ zu erklären: Es scheint aber eine gemütliche Situation („sacht“) zu sein, vielleicht haben die Menschen nur im Stau Zeit dazu, sie erinnern sich vielleicht wieder an das Wesentliche, den Himmel
2 14.  VG3: Zwei Bilder verbunden: Der Stau wird aufgelöst in zwei Vorgänge: Die Menschen werden „gemengt“, dann aber auch wieder „entwirrt“ – es ist ein ständiges Kommen und Gehen, Sich-Bündeln, Sich-Trennen
3 15.  VG3: Die blauen Melodien verbinden den echten Himmel über Berlin mit dem Himmel, von dem erzählt wird – der Aspekt der Musik passt zum „Erzählen“
2 16.  VG3: Die Zeilen 10 und 11 klären, wer oder was die Menschen lenkt: Sie selbst sind nicht wichtig („Bodensatz und Tand“) – entscheidend sind „Wille und Verstand“ des Wassers.
2 17.  VG3: Dem Wasser werden hier menschliche, vielleicht sogar göttliche Eigenschaften zugesprochen – Das Wasser entspricht ja dem Himmel.
3 18.  VG4: Zeile 12: vier verschiedene Bewegungsformen, dabei Wortneuschöpfung: „dünen“ = sich wie eine Düne langsam, aber mächtig fortbewegen
2 19.  VG4: In Zeile 13 wird noch mal Zeile 10 aufgenommen: Menschen sind nicht wichtig.
2 20. VG4: Zeile 14 nimmt Zeile 11 auf und verstärkt noch den Eindruck einer großen, geheimnisvollen, aber sehr wirkungsmächtigen Gewalt.
6 21.  Aufgabe 3: Zusammenhang zwischen den Bildern: Schon oben angesprochen: Wasser, verbindet die Ebene der Stadt und der Menschen mit der Vorstellung von einem ihr Leben lenkenden Himmel
6 22. Aufgabe 4: Die Aussage geht in die Richtung: Kleine Menschen, große Wellenhand, die sie „sacht“ lenkt: Das passt zum ruhigen Ton des Gedichtes; dazu kommen die vielen Wiederholungen und Verbindungen, die passen ebenfalls dazu.
2 23. Aufgabe 5: Klärung der Basis der Aufgabe: Was meinen die letzten beiden Zeilen: Die Menschen sind keine Edelsteine, aber zumindest bunt, vielfältig, durchaus schön anzusehen; sie bestimmen aber nicht selbst ihr Leben, sondern das macht eine „große Wellenhand“: Schicksal, Gott
9 24.  Man müsste sich jetzt mit folgenden Punkten auseinandersetzen:

a.     Sind die Menschen nur grober, wenn auch bunter Sand?

b.     werden sie von einer großen Wellenhand gelenkt?

c.     Und tut diese das „im linden Spiel“?

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