Sollen Dialekte im Schulunterricht gefördert werden? Auswertung – Spiegel-Artikel – 13.2.23 (Mat8208)

Worum es hier geht:

Ein Spiegel-online-Artikel vom 13.2.23 ist sehr gut geeignet, um gleich kämpferisch in die Dialekt-Thematik einzusteigen. Zugleich kann er gut im Hinblick auf interessengesteuerte Argumentation hin analysiert werden.

Wir haben den Artikel hier gefunden.

Im Folgenden stellen wir den Artikel kurz vor und verweisen auf Aspekte bzw. Argumente, die hier noch ergänzt werden müssten, wenn man sich ernsthaft mit der Dialekt-Thematik beschäftigen will.

  1. Zunächst einmal ist der Kontext wichtig, der zum einen von verschiedenen Mundart- bzw. Dialektvereinen geprägt ist
  2. und zudem einen Sprecher hat, der aus seiner einseitigen Grundeinstellung kein Hehl macht.
  3. Grundsätzlich ist es natürlich legitim, die vorhandenen Dialekte zu verteidigen bzw. zu fördern.
  4. Problematisch ist aber schon der Widerspruch zwischen der realen Entwicklung (Generationenproblem bei der Dialektnutzung) und dem Versuch, sich dieser natürlichen Wanderdüne entgegenzustellen.
  5. Dazu kommt ein Aspekt, der im Artikel keine Rolle spielt, nämlich das Phänomen der Migration in unsere Bildungssysteme. Dort gibt es genug Probleme, Deutsch als Zweitsprache zum Erfolg zu führen. Sollen die Menschen mit Migrationshintergrund auch noch Schwäbisch lernen?
  6. Man darf auch nicht vergessen, dass jedes zusätzliche Schulfach woanders etwas abschneidet – und die tägliche Belastung der Schülerinnen und Schüler schon im Grenzbereich ist.
  7. Am problematischsten  ist aber die Argumentation, die in diesem Artikel präsentiert wird und die sich maßgeblich am führenden Kopf der Bewegung, einem Landtagsabgeordneten namens Markus Rösler orientiert.
    1. Einfach behauptet wird, Mundart habe keine Nachteile. Wer sich ein bisschen auskennt, weiß, dass das von der Umgebung abhängt. Natürlich ist es in Bayern oder Schwaben von Vorteil, wenn man sich dort einwohnernah ausdrücken kann.
    2. Aber jeder Ausdehnungsversuch produziert zunächst einmal Minderheiten, die in der Regel erst mal belächelt werden. Auf Dauer nervt das Anderssein auch in der Sprache – wenn es dafür nicht gute Gründe gibt, die man respektiert.
    3. Dazu kommt, dass jede Art von sprachlicher Differenz natürlich auch ein Kommunikationshindernis ist.
    4. Dass die Mundart „ein Stück Heimat und kulturelle Identität“ bedeutet, kann nicht bestritten werden – allerdings sind beide Begriffe zumindest in Deutschland inzwischen sehr umstritten – und die Realität geht eher in Richtung Vielfalt.
    5. Am problematischsten ist das Beispiel mit der Krankenschwester, die sich mit einer wahrscheinlich älteren Patientin in deren Mundart unterhalten kann. Weiter oben ist davon die Rede, dass die jungen Leute immer weniger in Dialekten unterwegs sind – soll man in eine schwindende Zukunft auch noch Geld stecken, das dann woanders fehlt?
    6. Dass man sich in Dialekten „viel präziser und genauer ausdrücken“ könne, wird nicht belegt und dürfte auch allgemein nicht stimmen. Die größten deutschen Denker haben die Welt nicht in den Feinheiten von Mundarten beschrieben, sondern konnten auf eine ausgebaute deutsche Schriftsprache zurückgreifen.
    7. Regionale Lebensmittel und Mundarten dürften sich vor allem auf dem Wochenmarkt treffen, sonst haben sie sicher wenig miteinander zu tun, können zumindest nicht in der Verbindung argumentativ wirken.
  8. Nicht sehr geglückt im Sinne des Anliegens präsentiert sich auch der Schluss des Artikels.
    Denn dort präsentiert sich der Mundartvertreter sprachlich sehr eingeschränkt in der Argumentation: Denn ein Schriftdeutsch abzulehnen, mit dem man „gar nichts anfangen“ kann ist keine Basis für eine ernsthafte Auseinandersetzung.
  9. Den Nutzung des Schriftdeutsch aus dem Bereich der Emotionen herauszunehmen, zeigt auch wenig Wissen und Verständnis. Mir fällt aktuell nur Schiller ein, der in „Die Räuber“ und auch in „Kabale und Liebe“ weitestgehend ohne Dialekt auskommt und Gefühle auf die Bühne bringt, die die Zuschauer ja bekanntermaßen richtig in Raserei versetzt haben.
  10. Zur Ehrenrettung des Abgeordneten muss man natürlich berücksichtigen, dass es sich hier um einen Schritt in „Stille Post“-Kommunikation handelt. Hier wird etwas beschrieben und mit Zuschreibungen versehen, bei denen man nur hoffen kann, dass Herr Rösler Gelegenheit hatte, das ganze erste noch zu prüfen, bevor es freigegeben wurde.

 Weitere Infos, Tipps und Materialien