Wissen und verstehen: Kafkas Erzählungen als (einarmige) Parabeln (Mat5843 )

  1. Bei Kafkas Erzählungen ist man als Leser häufig erst mal ratlos. Vieles wirkt seltsam, rätselhaft, zum Teil sogar paradox. Es steht im Widerspruch zu dem, was wir normalerweise erleben, denken, tun.
  2. Hier hilft es, diese Geschichten als „Parabeln“ zu verstehen. Damit meint man Geschichten, die erzählt werden, um an einem fremden oder hier fremdartigen Beispiel etwas zu zeigen.
    1. Ein berühmtes und sehr schönes Beispiel ist die Geschichte vom Propheten Nathan im Alten Testament, der seinem König etwas sehr Unangenehmes klarmachen muss.
    2. Ein anderes Beispiel ist die Geschichte, die der Jude Nathan dem muslimischen Sultan Saladin erzählt, der hat ihm nämlich die unangenehme und ggf. auch gefährliche Frage gestellt, welche der großen Schriftreligionen (Judentum, Christentum, Islam) die richtige sei.
  3. Normalerweise
    1. gibt es in einer Parabel eine Situation, in der jemand etwas verstehen soll.
      Man nennt das auch die Sachseite, wenn man von dem Bild einer mathematischen Parabel ausgeht.
    2. Damit ihm das leichter fällt, erzählt man eine andere Geschichte.
      Das nennt man die Bildseite.
    3. Diese läuft auf eine ganz bestimmte Erkentnis hinaus.
      Das ist der sogenannte „Gemeinsame Punkt“ zwischen Sachseite und Bildseite.
    4. Nachdem die dann verstanden worden ist, kehrt man selbst – oder von dem Fremd-Geschichten-Erzähler gelenkt, zur eigentlichen Situation zurück und überträgt die Erkenntnis auf sie.
      Damit hat die Parabel ihre Situation erfüllt.

      Wer sich das genauer anschauen will, dem wird das hier an einem Schaubild gut erklärt:
      https://textaussage.de/schaubild-parabel-erzaehlung-die-etwas-verstaendlich-machen-soll
  4. Bei Kafka kann man sich vorstellen, dass er nur diese Beispielgeschichten erzählt und es dem Leser überlässt, worauf er es überträgt. Wir haben es bei vielen Geschichten getestet – und es hat uns immer geholfen, die Geschichten Kafkas auf die Situation des Menschen ganz allgemein in der Welt zu übertragen.
    Man kann von „einarmigenn“ Parabeln sprechen, weil die Sachseite vom Leser hinzufügt werden muss.
    Ein Beispiel ist „Kleine Fabel“: Wir haben den Text mal zerlegt:

    1. „„Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag.
    2. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte,
    3. ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah,
    4. aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin,
    5. und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ –
    6. „Du musst nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.“
      Das liest sich erst mal wie ein zynischer Witz – aber man kann es auch als Sinnbild für die Existenz des Menschen nehmen – auch wenn dieses Lebensgefühl und Schicksal nicht für alle Menschen gilt. Kafka zeigt aber in dieser Bildgeschichte einen Sachverhalt, in dem manche Menschen sich selbst sehen.
      Näheres dazu findet sich hier:
      https://textaussage.de/kafkas-sicht-der-welt-und-des-menschen-kleine-fabel-und-eine-kaiserliche-botschaft

  1. Mehr Infos, Tipps und Materialien zu Kafka gibt es auf den folgenden Seiten:
    1. Kafka
      https://textaussage.de/kafka-themenseite
    2. Alphabetisch: Die wichtigsten Parabeln von Kafka
      https://textaussage.de/kafka-die-wichtigsten-parabeln
    3. Thematisch: Die wichtigsten Parabeln von Kafla
      https://textaussage.de/ta-finder-die-richtige-parabel-von-franz-kafka-finden-nach-themen-geordnet

Weitere Infos, Tipps und Materialien