Zwei Modernisierungen von Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ (Mat448-2)

Aktualisierung des Anfangs von Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“

Man kann sich über Eichendorffs „Taugenichts“ ärgern, weil die hemdsärmelige Egal-Haltung gegenüber den Notwendigkeiten des Lebens nun wirklich äußerst problematisch ist – oder aber man stellt sich die Aufgabe, zumindest den Anfang mal zu modernisieren. Wir geben dazu ein paar Anregungen.

Zunächst sucht man sich den geeigneten Anfangsteil heraus:

Dann markiert man die Stellen, die man modernisieren kann oder möchte.

Wir spielen hier eine Variante ein, in der man unsere Markierungen sehen kann.

Das Rad an meines Vaters Mühle brauste und rauschte schon wieder recht lustig, der Schnee tröpfelte emsig vom Dache, die Sperlinge zwitscherten und tummelten sich dazwischen; ich saß auf der Türschwelle und wischte mir den Schlaf aus den Augen; mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine. Da trat der Vater aus dem Hause; er hatte schon seit Tagesanbruch in der Mühle rumort und die Schlafmütze schief auf dem Kopfe, der sagte zu mir: «Du Taugenichts! da sonnst du dich schon wieder und dehnst und reckst dir die Knochen müde und läßt mich alle Arbeit allein tun. Ich kann dich hier nicht länger füttern. Der Frühling ist vor der Tür, geh auch einmal hinaus in die Welt und erwirb dir selber dein Brot.» – «Nun», sagte ich, «wenn ich ein Taugenichts bin, so ists gut, so will ich in die Welt gehen und mein Glück machen.» Und eigentlich war mir das recht lieb, denn es war mir kurz vorher selber eingefallen, auf Reisen zu gehen, da ich die Goldammer, welche im Herbst und Winter immer betrübt an unserm Fenster sang: «Bauer, miet mich, Bauer, miet mich!» nun in der schönen Frühlingszeit wieder ganz stolz und lustig vom Baume rufen hörte: «Bauer, behalt deinen Dienst!»

Ich ging also in das Haus hinein und holte meine Geige, die ich recht artig spielte, von der Wand, mein Vater gab mir noch einige Groschen Geld mit auf den Weg, und so schlenderte ich durch das lange Dorf hinaus. Ich hatte recht meine heimliche Freude, als ich da alle meine alten Bekannten und Kameraden rechts und links, wie gestern und vorgestern und immerdar, zur Arbeit hinausziehen, graben und pflügen sah, während ich so in die freie Welt hinausstrich. Ich rief den armen Leuten nach allen Seiten stolz und zufrieden Adjes zu, aber es kümmerte sich eben keiner sehr darum. Mir war es wie ein ewiger Sonntag im Gemüte. Und als ich endlich ins freie Feld hinauskam, da nahm ich meine liebe Geige vor und spielte und sang, auf der Landstraße fortgehend:

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt,
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot,
Sie wissen nur vom Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot. 

Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwirren hoch vor Lust,
Was sollt ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl und frischer Brust?

 

Den lieben Gott laß ich nur walten;
Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld
Und Erd und Himmel will erhalten,
Hat auch mein Sach aufs best bestellt!

 

Indem, wie ich mich so umsehe, kömmt ein köstlicher Reisewagen ganz nahe an mich heran, der mochte wohl schon einige Zeit hinter mir drein gefahren sein, ohne daß ich es merkte, weil mein Herz so voller Klang war, denn es ging ganz langsam, und zwei vornehme Damen steckten die Köpfe aus dem Wagen und hörten mir zu. Die eine war besonders schön und jünger als die andere, aber eigentlich gefielen sie mir alle beide. Als ich nun aufhörte zu singen, ließ die ältere stillhalten und redete mich holdselig an: «Ei, lustiger Gesell, Er weiß ja recht hübsche Lieder zu singen.» Ich nicht zu faul dagegen: «Euer Gnaden aufzuwarten, wüßt ich noch viel schönere.» Darauf fragte sie mich wieder: «Wohin wandert Er denn schon so am frühen Morgen?» Da schämte ich mich, daß ich das selber nicht wußte, und sagte dreist: «Nach Wien»; nun sprachen beide miteinander in einer fremden Sprache, die ich nicht verstand. Die jüngere schüttelte einige Male mit dem Kopfe, die andere lachte aber in einem fort und rief mir endlich zu: «Spring Er nur hinten mit auf, wir fahren auch nach Wien.» Wer war froher als ich! Ich machte eine Reverenz und war mit einem Sprunge hinter dem Wagen, der Kutscher knallte, und wir flogen über die glänzende Straße fort, daß mir der Wind am Hute pfiff.

Anregungen für eine Aktualisierung, die nicht ganz so romantisch endet.

  1. Man könnte von einem Schüler ausgehen, der den Spitznamen „Lula“ hat, weil ein Lehrer ihm mal vorgeworfen hat, nur aus „Lust und Laune“mal was zu machen.
  2. Der soll mal wieder morgens in seinen Freistunden noch für seinen Vater eine Besorgung machen, verschläft aber, wird geweckt, es gibt Streit wie beim Taugenichts – und er nimmt das Angebot des Vaters an, einfach zu verschwinden und sein Leben selbst zu gestalten.
  3. Sein Vater will, dass er diese Erfahrung auch wirklich macht und gibt ihm sogar noch etwas Geld mit.
  4. Lula schnappt sich seinen Zauberkoffer, mit der er gerne herumspielt und mit dem er auch schon ein paar Erfolge hatte und fährt mit dem Bus zum Bahnhof
  5. Unterwegs trifft er Mitschüler, die sich wundern, dass er den Koffer dabei hat und an der Schule nicht aussteigt – Letztlich winken sie aber ab und sagen sich: „Ist halt Lula, mal sehen, wann er wieder auftaucht.“
  6. Er nimmt den erstbesten Zug Richtung Süden und trifft unterwegs eine Familie mit zwei kleinen Kindern, die sich langweilen. Daraufhin macht er seinen Koffer auf und zaubert ihnen was vor. Die Mutter ist so begeistert, dass sie ihn schließlich fragt, ob er nicht mit nach Mexiko in ein Ferienresort fliegen wolle. Wenn er sich weiter ein bisschen um die Kinder kümmern würde, würden sie ihm den Flug bezahlen und er könnte kostenlos bei ihnen wohnen.
  7. Lula ist überglücklich, weil das Schicksal es offenbar gut mit ihm meint, und legt im Gang des Zuges gleich einen Salto hin. Alle sind begeistert und freuen sich auf schöne gemeinsame Tage.Soweit wäre das die Aktualisierung – ganz auf der Linie von Eichendorff.Jetzt gehen wir über zu einer anderen Art von Modernisierung, nämlich einer, die sich von jeder Romantik entfernt.
  8. In Mexiko angekommen, läuft alles gut weiter. Lula macht allerdings den Fehler, seine Zauberkünste überall zu zeigen. In einer etwas verrufenen Gegend wird er von einer Bande gekidkapped und ins Landesinnere verschleppt, wo er mit seiner Zauberei bei der einfachen Landbevölkerung Geld eintreiben muss.
  9. Schließlich hat er Glück, dass ein Reisebus einer Touristentruppe sich verfahren hat und er im letzten Moment in den Bus springen kann. Der Reiseleiter reagiert blitzschnell, während die Gangster kurz mal ein Bier trinken gegangen sind. So kann Lula entkommen.
  10. In der Hauptstadt wird er bei der Botschaft seines Landes abgesetzt – und die klärt mit seinem Vater ab, dass der ihn wieder aufnehmen will. Lula hat viel gelernt und ist jetzt bereit, sein Leben zu ändern und sich wie jeder andere Künstler auch um seinen Lebensunterhalt zu kümmern.

Das Video dazu:

Es gibt inzwischen auch ein Video zu dieser Modernisierung – und zwar hier.
https://textaussage.de/modernisierung-von-eichendorffs-novelle-aus-dem-leben-eines-taugenichts

Weitere Infos, Tipps und Materialien