Anmerkungen zum Gedicht „Sprich aus der Ferne“ von Clemens Brentano

Das Gedicht „Sprich aus der Ferne“ von Clemens Brentano ist besonders interessant wegen einer etwas abweichenden Sicht auf das Verhältnis von Tag und Nacht und die in ihm enthaltene „romantische Ironie“.

Wir beziehen uns im Folgenden auf die Fassung des Gedichtes, die z.B. die Sammlung Gutenberg präsentiert.

https://www.projekt-gutenberg.org/brentano/gedichte/chap011.html

Zum Titel

Sprich aus der Ferne

  • Eine richtige Überschrift gibt es für dieses Gericht nicht, deshalb wird als Ersatz die erste Zeile genommen.

Abschnitt 1

Sprich aus der Ferne

Heimliche Welt,

Die sich so gerne

Zu mir gesellt.

  • Das Gedicht beginnt mit einer Anrede an eine Welt, die zugleich heimlich bzw. fern ist und doch auch nahe.
  • Dieser Widerspruch wird mit einer Aktivität dieser Welt verbunden, sie ist es, die auf das lyrische Ich zugeht.
  • Die erste Zeile ist dann wohl so zu verstehen, dass diese Annäherung auf irgendeine Art und Weise sprachlich geschieht.

Abschnitt 2

Wenn das Abendrot niedergesunken,

Keine freudige Farbe mehr spricht,

Und die Kränze still leuchtender Funken

Die Nacht um die schattigte Stirne flicht:

Wehet der Sterne

Heiliger Sinn

Leis durch die Ferne

Bis zu mir hin.

  • Der zweite Abschnitt wendet sich dann einer bestimmten Tageszeit zu nämlich dem Abend.
  • Diese Zeit wird – für ein romantisches Gedicht erst mal ungewöhnlich – negativ gesehen. Es geht nämlich die „freudige Farbe“ verloren, die das Sonnenlicht am Tag hervorbringt.
  • Im zweiten Teil dieses Abschnitts wird dann das wieder aufgenommen, was am Anfang präsentiert worden ist. Als Ersatz für das Verlorene gibt es eine Art von Sinn, die  auf irgendeine Art und Weise von den Sternen herkommt.

Abschnitt 3

Wenn des Mondes still lindernde Tränen

Lösen der Nächte verborgenes Weh;

Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen

Schiffen die Geister im himmlischen See.

Glänzender Lieder

Klingender Lauf

Ringelt sich nieder,

Wallet hinauf.

  • Im dritten Abschnitt kommt dann – typisch für die Romantik – der Mond ins Spiel. Er spendet das, was sonst auch auf andere Weise einem Menschen Entlastung bringen kann, nämlich das Weinen.
  • Interessant auch hier wieder eine erstaunlich negative Sicht der Nacht, die nämlich mit Schmerzen und Leiden verbunden wird.
  • Das lyrische Ich sieht dann für sich so etwas wie „Friede“. Das wird noch verbunden mit einer seltsamen und nicht näher geklärten Geistererscheinung, die es am Himmel zu sehen glaubt.
  • Am Ende wird noch eine Verbindung gesehen zwischen dem Himmel und der Erde und zwar in Form von Liedern. Auch das dürfte ein reines Produkt der Fantasie sein und wird nicht näher erklärt.

Abschnitt 4

Wenn der Mitternacht heiliges Grauen

Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht,

Und die Büsche gar wundersam schauen,

Alles sich finster tiefsinnig bezeugt:

Wandelt im Dunkeln

Freundliches Spiel,

Still Lichter funkeln

Schimmerndes Ziel.

  • Die fortschreitende Nacht wird mit einem doppelten Gefühl verbunden: Im Vordergrund steht so etwas wie Grauen, also ein ängstliches Gefühl, dem allerdings die Vorstellung des Heiligen hinzugefügt wird.
  • Dieses Doppelgefühl wird auch im weiteren Verlauf der Strophe hervorgehoben.
  • Die eingerückten Verse sehen dann die nächtliche Welt schon wieder positiver. Auch was an Lichtern gesehen wird, erscheint eher als ein positives Ziel-Angebot.

Abschnitt 5

Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,

Bietet sich tröstend und traurend die Hand,

Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,

Alles ist ewig im Innern verwandt.

Sprich aus der Ferne

Heimliche Welt,

Die sich so gerne

Zu mir gesellt.

  • Der Abschluss des Gedichtes ist dann nur noch positiv. Alles wird in einem Zusammenhang gesehen, der Harmonie und Trost bietet.
  • Die Schlusszeilen wiederholen dann noch einmal den Anfang.

Zusammenfassung:

  • Insgesamt ein Gedicht, das den Abend zunächst einmal als Verlust begreift, dann aber auch als Chance, dass eine andere Welt gewissermaßen freigesetzt wird und sich dem Menschen nähert
  • Diese Welt lindert vorhandene Schmerzen und schafft Frieden und auch so etwas wie eine Sinn-Umgebung.
  • Aber der Doppelcharakter des Schaurigen und des Heiligen bleibt erhalten, löst sich am Ende aber in Harmonie auf.
  • Insgesamt ein Gedicht, das dem Programm der „Romantischen Ironie folgt. Denn bei der gibt es ja keine festen Gegebenheiten, sondern Gefühle und Einsichten, die immer wieder neu in Frage gestellt werden können und sich somit produktiv fortsetzen.
  • Wichtig ist dabei, dass dieser Prozess positiv abgeschlossen wird.

Zur „romantischen Ironie“

Weiterführende Hinweise