Wolfgang Borchert, „Nachts schlafen die Ratten doch“ – Inhaltsangabe und Anregungen (Mat1542)

Worum geht es in dieser Kurzgeschichte?

Borcherts „Nachts schlafen die Ratten doch“ – oder der Weg von der Trümmerwüste zur Sonne

In Borcherts Geschichte geht es um die Situation kurz nach dem Krieg, in der ein alter Mann einem Jungen angesichts der Trümmer hilft, über sein Verlust-Trauma hinwegzukommen.

Wir zeigen in einem Schaubild, in welchen Schritten die beiden sich aus der „Trümmerwüste“ hin zur „Sonne“ hocharbeiten.

Inhaltsangabe:

  • In der Kurzgeschichte „Nachts schlafen die Ratten doch“ von Wolfgang Borchert geht es um einen Jungen, der glaubt, er müsse nach einem Bombenangriff seinen toten Bruder davor bewahren, von Ratten gefressen zu werden.
  • Aus dieser Situation des Ständig-Wache-halten-Müssens wird er durch einen alten Mann erlöst, der sagt, nachts schliefen die Ratten und seien deswegen kein Problem.
  • Das verbindet er mit dem Angebot, dass der Junge eins seiner 27 Kaninchen bekommen könne.
  • Nach einigem Zögern geht er auf das Angebot ein und entwickelt sogar Ideen für den Bau eines Kaninchenstahls.
  • Glücklich, ja regelrecht beschwingt scheint der Mann zu sein, als er zunächst den Ort verlässt, um bei Einbruch der Dunkelheit wiederzukommen.

Bedeutung der Geschichte: -> Was zeigt die Geschichte?

  • Die Geschichte zeigt zum einen die äußere und innere Verwüstung, die ein Krieg anrichtet oder angerichtet hat.
  • Sie zeigt aber auch, dass man mit etwas Glück aus seinem Leid herauskommen und neue Lebensfreude finden kann.
  • Voraussetzung dafür ist aber, dass man solche Leute trifft wie diesen alten Mann, dem es gelingt Anfangsbarrieren zu überwinden und neue Ziele aufzuzeigen.

  Schaubild

Anmerkungen zum Schaubild:

Das Schaubild zeigt die Entwicklung von einer Schuttwüste hin zur Sonne.
Am Anfang steht diese Wüste, verbunden mit auch innerer Fixierung auf das Wachen-Müssen und Nicht-sagen-Können.

Dem begegnet der alte Mann zunächst mit einer Provokation, er könne dann auch nichts sagen. Damit will er Neugier wecken.

Das Spiel mit der Rechenaufgabe dient der Ablenkung und Überleitung hin zu den Kaninchen. Das ist zwar schon durch das Kaninchenfutter vorbereitet worden, aber da hat das noch wenig Interesse ausgelöst.

Die notwendige Mitwirkung des Jungen beginnt mit der Öffnung hin zum Bekenntnis seiner Not (Ratten und Schutz des toten Bruders). Das ermöglicht dem alten Mann auch die Hilfe-Information, verbunden mit ein bisschen Anbiederung im Hinblick auf den Lehrer.

Es kommt eine sehr interessante Pause, in der Borchert indirekt zeigt, was sich hier abspielt zwischen Müdigkeit, Kuhlen und Betten. Es arbeitet in dem Jungen und am Ende kann er aufstehen. Das ist ein weiteres Symbol – diesmal dafür, dass er aus seiner Situation herauskommen will. Dazu gehört dann auch die Bitte um ein weißes Kaninchen.

Der Kaninchenstall ist dann schon ein gemeinsames Projekt, bei dem der eine sein Knowhow und der andere das Material mit einbringt.

Am Ende wird plötzlich deutlich, dass es gar nicht nur um den Jungen geht, der solange im Mittelpunkt steht. Auch der alte Mann bekommt jetzt Sonne in sein Leben – und deutlich wird auch seine Aufregung und wohl auch Vorfreude.

Inwiefern und inwieweit handelt es sich um eine Kurzgeschichte?

Die Geschichte hat einen sehr direkten Einstieg, auf die Vorgeschichte und sonstigen Umstände wird kaum eingegangen. Auch das Ende ist relativ offen, Obwohl alles dafür spricht, dass es den beiden Personen in dieser Geschichte ab jetzt besser gehen wird. Damit enthält die Kurzgeschichte auch einen wesentlichen „Ausriss aus ihrem Leben“.

Anmerkungen zum Einsatz als Klassenarbeit.

Die Kurzgeschichte kann gut als Klassenarbeit eingesetzt werden. Wirklich sinnvoll ist das allerdings wohl nur, wenn man einen Akzent auf die Kommunikation der beiden Menschen richtet und sich dann die Frage stellt, welche Bedeutung diese Geschichte auch in Friedenszeiten haben kann.

Ideen zum Einsatz im Unterricht

  • Frage von Kriegssituationen
    Damit sind wir auch schon bei der Frage, was diese Geschichte vor allem im Unterricht lohnenswert machen kann. Kriegssituationen dürften für die Schüler entweder weit weg sein oder nicht sehr geeignet. Immerhin könnten bei einigen aufgrund spezieller Migrations-Erfahrungen Traumata vorliegen, die man im Deutschunterricht auf beheben kann.
  • Aktuelle Hilfs-Situationen erzählen
    Umso interessanter könnte es sein, Situationen zu suchen und dann auch auszugestalten, in denen zum Beispiel Menschen geholfen wird, die richtig verzweifelt sind, weil sie entweder keine Chance mehr für sich sehen oder zum Beispiel von Schuldgefühlen gepeinigt werden. Es käme dann drauf an, ihnen neue Hoffnungen zu geben und sie durch geschicktes Verhalten dazu zu bringen, dass sie solche Angebote auch annehmen können.
  • An einer „Leerstelle“ einen Inneren Monolog einbauen
    • Leerstellen in einem literarischen Text sind solche Stellen, an denen eigentlich noch etwas stehen müsste, was aber mehr oder weniger absichtlich offen gelassen wird, damit der Leser sich selbst eine eigene Meinung darüber bilden.
      interessant ist hier zum Beispiel der folgende Auszug:
      —-
      “Auf die doch nicht! Und dann sagte er ganz leise: Mein Bruder, der liegt nämlich da unten. Da. Jürgen zeigte mit dem Stock auf die zusammengesackten Mauern. Unser Haus kriegte eine Bombe. Mit einmal war das Licht weg im Keller. Und er auch. Wir haben noch gerufen. Er war viel kleiner als ich. Erst vier. Er muss ja noch hier sein. Er ist doch viel kleiner als ich.
      Der Mann sah von oben auf das Haargestrüpp. Aber dann sagte er plötzlich: Ja, hat euer Lehrer euch denn nicht gesagt, dass die Ratten nachts schlafen?“
      —-
      Die ersten Leerstellen ergeben sich vielleicht dort, wo der Junge nicht genauer auf seine schrecklichen Erlebnisse eingeht.
      Viel interessanter und eindeutiger ist aber die Leerstelle vor „Der Mann sah von oben auf das Haargestrüpp“.
      Wir erfahren nämlich nichts darüber, was ihm dabei durch den Kopf geht, bevor er etwas sagt. Das wäre eine schöne Stelle, um dort einen Inneren Monolog einzubauen. Solch eine Stelle ist eigentlich immer ein Beispiel für eine Leerstelle.
  • Die Geschichte weiterschreiben und dabei auf den Begriff der „Extrapolation“ eingehen
    Tipps zum Weiterschreiben dieser Geschichte:
    https://textaussage.de/kurzgeschichte-weiterschreiben-beispiel-borchert-nachts-schlafen-die-ratten-doch-gespraech-zwischen-juergen-und-dem-alten-mann

    Allgemeines zum Weiterschreiben mit Blick auf „Extrapolation“
    https://textaussage.de/was-hat-extrapolation-mit-dem-deutschunterricht-zu-tun-ki-erklaerung-durch-mia-kommentiert

Lernvideo zur Kurzgeschichte

Inzwischen gibt es auch ein Lernvideo zu Borcherts Kurzgeschichte „Nachts schlafen die Ratten doch“. Darin gehen wir vor allem der Frage nach, was diese Geschichte heute noch reizvoll, ja wertvoll macht.

Zu finden ist das Video mit zugehörigem Begleitmaterial hier.
https://textaussage.de/lernvideo-borchert-nachts-schlafen-die-ratten-doch

Zwei weitere interessante Kurzgeschichte aus dem Umfeld dieses Themas

Kurzer Hinweis auf eine Kurzgeschichte, in der es um die reale Schuld am Tod eines jüngeren Bruders geht. Dann noch der Hinweis auf eine Kurzgeschichte, in der es auch darum geht, dass jemand aus seiner einseitigen Selbstwahrnehmung herausgeholt wird.

  • Signer, Luca, „Herbstvergessen“
    In dieser Geschichte geht es um einen Ich-Erzähler, der auf ganz besondere Art und Weise die Schuld am Tod seines kleinen Bruders verarbeitet. Die Geschichte ist erschienen auf leselupe.de – d.h. der Verfasser ist noch nicht so berühmt wie die anderen hier aufgeführten Kurzgeschichten-Autoren. Um so mehr kann seine recht gut gemachte Geschichte Schülern Mut machen, sich auch selbst mal an einer Kurzgeschichte zu versuchen.
  • Kötter, Ingrid, „Nasen kann man so und so sehen“
    In dieser Kurzgeschichte geht es um Vorurteile sich selbst gegenüber: Ein Mädchen leidet sehr unter seinem Aussehen, bis ihm ihr Onkel deutlich macht, dass das alles eine Frage der Perspektive ist und er das gerade an ihr mag, was ihr nicht gefällt. Auf einer zweiten Ebene geht es um die Weiterentwicklung zweier junger Menschen, denn dieser Onkel ist kaum älter als das Mädchen Irina. Auch er hat sich weiterentwickelt und ermöglicht das jetzt auch seiner Nichte.
    In einem Punkt gibt es Ähnlichkeiten mit Wolfgang Borcherts Kurzgeschichte „Nachts schlafen die Ratten doch“ – nämlich in der Frage der Wahrnehmung der eigenen Situation und wie sie sich verändern kann.

Weitere Infos, Tipps und Materialien