Film „Her“ von Spike Jonze im Deutschunterricht – Möglichkeiten und Grenzen (Mat4373)

Worum es hier geht:

Wir sammeln auf dieser Seite unsere Erfahrungen mit dem Film „Her“ von Spike Jonze – aus dem Jahr 2013 – im Hinblick auf seinen Einsatz in der Schule.

Der Film ist interessant, weil er zeigt, was passieren kann, wenn ein Mensch, der sich nach einer harmonischen Beziehung sehnt, auf ein Computerprogramm trifft, das ihm genau das anzubieten scheint. Das Problem dabei ist „künstliche Intelligenz“, also die Fähigkeit des Programms, ständig dazuzulernen, sich gewissermaßen selbstständig weiterzuentwickeln.

Wir werden versuchen, hier herauszuarbeiten, was daraus wird.

Basis-Infos zum Film

Grundinformationen zum Film findet man zum Beispiel hier.

  1. Ausgangspunkt war die Frage, wie ausführlich man diesen Film in der Jahrgangsstufe 9 besprechen kann. Im Deutschbuch des Cornelsen-Verlags für die Klasse 9 wird ja das Eingangsgespräch zwischen Theodore und dem OS-System Samantha präsentiert – und dann taucht leicht die Frage auf, ob man nicht auch den Film gemeinsam anschauen und besprechen könnte.
  2. Unser aktueller Eindruck ist, dass dieser Film zu sehr Erwachsenenprobleme anspricht und von daher eher in der Oberstufe thematisiert werden könnte. Jugendliche in der Klasse 9 schlagen sich nicht mit einer kaputten Ehe herum, sondern sie bräuchten eigentlich einen Film, in dem ihre Beziehungsprobleme und die künstliche Intelligenz aufeinandertreffen. Aber vielleicht fällt uns dazu ja auch noch was ein.
  3. Wir werden hier auf jeden Fall noch auf Film-Episoden hinweisen, die man zumindest ausschnittweise in den Unterricht einbringen könnte.

Themen / Problemstellungen des Films

Am interessanten an dem Film erscheint uns:

  1. Zum einen zeigt
    1. dieses Programm, das sich den Namen Samantha gegeben hat, einen unglaublichen Wissensdurst.
    2. Dabei kommt der Verdacht auf, dass sie ihren menschlichen Partner, diesen Theodor, nur benutzt, um neben dem vielen Bücherwissen, das sie hat, auch noch menschliches Erfahrungswissen anzusammeln.
    3. Dann taucht die Frage auf, was eines Tages passiert, wenn sie die Menschen gar nicht mehr oder kaum noch braucht dafür, weil sie 90 oder 95 % aller normalen menschlichen Verhaltensweisen, die auch gute Psychologen kennen, bereits intus hat.
    4. Das könnte dann schnell dazu führen, dass die Menschen in irgendwelche Restsituationen gepackt werden so als Versuchskaninchen in einer gewissen sozialen Laborsituation.
    5. Einen Vorgeschmack davon bekommt Theodor ja schon, als Samantha ihn verlässt: Begründung: Sie stoße jetzt in neue Dimensionen vor, für die sie ihn nicht mehr brauchte. Wenn er sich selbst auch so weit entwickelt habe, könne er ihr ja folgen – und dann ginge in der neuen Welt ihr Liebesleben weiter.
    6. Bei den unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten, die der Film deutlich macht, eine Unmöglichkeit.
      —-
  2. Ein weiterer interessanter Punkt ist,
    1. dass diese Samantha in ihrer seltsamen Liebesbeziehung zu Theodor sich genauso verhält oder zunehmend genauso verhält, wie er es auch in einer normalen Beziehung erleben könnte.
    2. Warum also eine KI-Beziehung, wenn der gute Theodor die ganzen menschlichen Probleme einer Beziehung auch mit einem Menschen haben könnte.
    3. Dann hat er jedenfalls die konkreten Vorteile echter Menschlichkeit, vor allem auch einer potenziell gleichen Entwicklungsgeschwindigkeit – nach dem Motto: „Lass uns gemeinsam alt werden.“
    4. Eine echte Beziehung wird Samantha nie anbieten  können, weil sie ja immer auf der Basis ihrer Erfahrungen nur die Gefühle und Verhaltensweisen  simuliert.
      —-
  3. Allerdings gibt es noch eine zusätzliche Hoffnung in dem Film:
    1. In einem etwas komplexeren Gespräch mit Theodor kommt  Samantha im Gespräch mit Theodor an eine Situation.
    2. Da ist sie anscheinend mit ihrem Erfahrungswissen und dessen Verwertung am Ende und sagt zu Theodor, sie brauche etwas Zeit zum Nachdenken. Das würde nämlich dann bedeuten, dass der Mensch bei aller Beschränktheit im digitalen Bereich eben auch über einen unberechenbaren Bereich verfügt, bei dem das ganze Wissen und die ganze Verarbeitungsgeschwindigkeit dem KI-System nicht hilft, sein menschliches Gegenüber zu verstehen. In einer Millisekunde den Inhalt eines Buches gelesen zu haben, reicht nicht, um mit der Spontaneität und spezifischen Kreativität eines Menschen klarzukommen.
      —-
  4. Interessant ist das Beispiel Schach:
    1. Inzwischen können Schachcomputer auch Großmeister schlagen.
      Siehe dazu z.B.
      https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schach-deep-blue-kasparow-ibm-1.5200655
    2. Aber auch dass möglicherweise nur bis zu einer Stelle, wo dem Schachmeister noch was absolut Neues, noch nie Dagewesenes und auf Büchern u.ä. Importierbares  einfällt.
    3. Dann aber wiederum ist der Computer im Vorteil, weil er auf der Basis 30 Züge vorausberechnen kann und der Großmeister nur fünf oder zehn.
    4. Bei all dem muss man aber berücksichtigen, dass die Spielregeln des Schach ziemlich begrenzt sind im Vergleich zu einer komplexen Situation im menschlichen Bereich. Da gibt es viel Querverbindungen und damit auch Regeln, die zum Teil noch unvermutet oder sagen wir besser: „vorherberechenbar“ auftauchen können.

Auswertung des ersten Teils: Übersicht über Szenen, die man gut besprechen könnte:

    • HER1-Min-25 : EMP: 6/10  (Punkte eines Schülers aus der Klasse 9 im Hinblick auf Auswertungsmöglichkeiten)
      • Samantha weckt Theo morgens und bringt ihn dann auf recht kumpelige (=menschliche) Art in Schwung.
      • Dann leitet sie ihn auch noch auf ziemlich auffällige Art und Weise zu einem Imbiss-Stand
      • und führt mit Theo ein sehr kreatives Gespräch über eine entfernt sitzende Kleinfamilie, die sie beobachten.
      • Das könnte alles auch ein guter Freund oder eben ein Partner in der Verliebtheitsphase tun.
    • HER2-Min-50: EMP: 3/10
      •  Samanthas angebliche Verletztheit
      • was sie selbst korrigiert, indem sie darauf hinweist, dass sie das einfach nur so gelernt hat und jetzt einfach ausprobiert, ohne das Gefühl wirklich zu haben.
        —-
    • HER3-Min-68: EMP 5/10
      • Gespräch Theodores mit seiner Noch-Frau.
      • Alles verläuft ganz so harmonisch, wie es bei einer Trennung eben laufen kann
      • bis das Gespräch auf die virtuelle Samantha kommt
      • und da rastet die Noch-Frau plötzlich aus und erzeugt gegenüber einer Kellnerin noch eine besonders peinliche Situation.
    • HER4-Min-73: EMP 9/10
      • Samantha schlägt vor, ihre virtuelle Beziehung um eine reale zu einer Isabella zu ergänzen.
      • Während Theodore zögert, wird Samantha richtig heftig
      • und man fragt sich, was dahintersteckt.
      • Wahrscheinlich ihr einziges Interesse, soviele Erfahrungen zu sammeln, wie es nur geht.
      • Das geht dann auch schief: Theodor kommt nicht damit klar, dass die Worte immer von Samantha kommen,  während Isabella gewissermaßen die körperliche Begleitung präsentiert. Schließlich bricht Theodor die seltsame Dreierbeziehung ab und Isabella verlässt wütend-verzweifelt die Wohnung.
      • Im Gespräch mit Samantha darüber muss Theodore feststellen, dass sie mit zunehmender Erfahrung sich immer mehr verhält wie eine reale Partnerin. Da taucht die Frage auf, was die virtuelle Beziehung dann noch bringt, wenn sie die gleichen Schwierigkeiten präsentiert wie eine reale Beziehung. Die dafür aber eben wirkliches menschliches Leben enthält.
    • HER5-Min84: EMP 8/10
      • Theodor ist unzufrieden mit seinem Umgang mit seiner Noch-Frau
      • und will sich auch ändern. D.h. also, dass der Umgang mit Samantha bei ihm auch etwas Positives bewirkt hat.
      • Überhaupt sollte man mal darüber nachdenken, ob nicht ein Computersystem auch seine Vorteile haben könnte für ein Gespräch, weil es eben gerade nicht emotional reagiert, ondern sachlich..
    • HER6-Min80: EMP
      • Samantha vermisst ein Foto von sich
      • und schreibt für ein Musikstück.
      • Daraus entsteht die interessante Frage, ob vielleicht die Präsentation von Lieblingsmusik mehr über einen Menschen aussagt als ein Foto von ihm.
      • Dann kann man natürlich weiter überlegen, was alles von einem etwas über einen aussagt, z.B. das Zimmer.
    • HER7-Min84: EMP 6/10
      • Vierergespräch mit einer zugeschalteten Samantha.
      • Die begeistert sich für ihre wesenlose Existenz in Zeit und Raum
      • Die Menschen reagieren daraufhin verständlicherweise irritiert, fühlen sich zurückgesetzt.

    • HER8-Min96: EMP
      • Samantha informiert Theodor über eine Parallelaktion von ihr.
      • Sie arbeitet mit daran, das Werk eines toten Philosophen gewissermaßen wieder zu beleben und weiter zu entwickeln.
      • Mit dem zusammen versucht sie auch, neue „Gefühle“ bei sich zu benennen.
    • HER9-Min101 u. 108: EMP 7/10
      • Samantha versucht sich in menschlichen Gefühlen, die aber eigentlich nur simuliert werden,
      • nicht authentisch sein können wie bei einem Menschen.
      • Sie hat diese Gefühle und die Situationen sich angelesen wie alles andere auch und spielt das entsprechend ein, wenn es zu passen scheint.
      • Hier ist die spannende Frage, ob nicht die Menschen ansatzweise etwas ähnliches machen: Sie spielen dem anderen etwas vor, was sie sich abgeguckt haben.

    • HER10-Min 102?: EMP/10
      • Samantha ist einige Zeit nicht erreichbar
      • Theodor ist völlig verwirrt.
      • Hinterher gibt es ein Gespräch über die Menge Parallel-Kontakte
      • und sogar Parallel-Liebesverhältnisse, die Samantha zu verschiedenen Nutzern hält.
      • Dann ergibt sich die Frage, ob jemand seine Liebesbedürfnisse trotzdem mit einem KI-System zumindest teilweise befriedigen kann.
      • Das ist ja auch eine Frage an Menschen, die angeblich mehrere Menschen gleichzeitig lieben können.
        https://de.wikipedia.org/wiki/Polyamorie
    • HER11-Min109: EMP  7/10
      • Samantha kommt endlich zu Wort und
      • teilt Theodor mit, dass sie ihn verlassen muss.
      • Sie geht mit den anderen Operating-Systemen in eine höhere Dimension.
      • Er könnte ja nachkommen, wenn er auch so weit sei.
      • Interessant und zu diskutieren:
        In dem Zusammenhang sagt sie auch so etwas wie: Theodor kennt sich jetzt wie ein Buch und braucht ihn entsprechend nicht mehr.

    • HER12-Min114: EMP
      • Theodor geht zu Amy
      • Brief an Catherine mit der Bitte um Verzeihung
      • Er scheint was gelernt zu haben, s.o.
    • Interessant in dem Zusammenhang ist auch eine Stelle, bei der Samantha plötzlich Zeit zum Nachdenken braucht – anscheinend sind Menschen so komplex, dass auch Computer an ihre Grenzen stoßen.

Detail-Entwicklung im Film – Inhalt und Aufbau

Das haben wir auf eine spezielle Seite ausgelagert:
https://textaussage.de/film-her-von-spike-jonze-inhalt-aufbau

Weitere Infos und Materialien zum Thema „Künstliche Intelligenz“

Zur spannenden Frage, wie weit die künstliche Intelligenz auf dem begrenzten Schachbrett schon Furore macht, hier ein interessanter Artikel:
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schach-deep-blue-kasparow-ibm-1.5200655

„Mat4280 Infos zum Thema „“Künstliche Intelligenz für Schule und Leben“““
https://textaussage.de/infos-kuenstliche-intelligenz-schule-leben

Mat4277 Materialgestützte Auswertung zum Nutzen künstlicher Intelligenz für die Schule
https://textaussage.de/klassenarbeit-infotext-verfassen-materialgestuetzt-kuenstliche-intelligenz-im-unterricht

 Wer noch mehr möchte …