Hoffmann von Hoffmanswaldau, „Lust der Welt“

Das folgende Gedicht aus der Zeit des Barock ist in der Rechtschreibung an heutige Verhältnisse angepasst worden.

Die Originalversion findet man zum Beispiel hier:

Hoffmann von Hoffmannswaldau
Lust der Welt

1: Was ist die Lust der Welt? Nichts als ein Fastnachtsspiel,
2: So lange Zeit gehofft, in kurzer Zeit verschwindet,
3: Da unsre Masken uns nicht haften, wie man will,
4: Und da der Anschlag nicht den Ausschlag recht empfindet.

  • Gleich am Anfang findet man etwas was typisch ist für die Barockzeit, nämlich Eine kritische Sicht auf die „Lust der Welt“.
  • Gemeint sein kann damit sowohl alles Schöne in der Welt als auch die Freude darüber.
  • Nach der rhetorischen Frage kommt die Antwort: die Welt wird als „Fastnachtsspiel“ gesehen, also als eine Aufführung, wie man sie in der Karnevalszeit zu sehen bekommt.
  • Die zweite Zeile geht dann auf das Missverhältnis ein zwischen dem Aufwand, den man getrieben hat, und den damit verbundenen Hoffnungen und dem anschließenden schnellen Verschwinden all dessen, was man gemacht hat.
  • In der dritten Zeile wird dann als Beispiel für die Vergänglichkeit das Tragen der Masken herangezogen, die einfach nicht „haften“ bleiben, also das wirkliche Gesicht nicht auf Dauer verbergen können.
  • Die vierte Zeile soll dann wohl deutlich machen, dass das, was wir versuchen in Bewegung zu setzen, am Ende nicht die gewünschte Wirkung zeigt.

5: Es gehet uns wie dem, der Feuerwerke macht,
6: Ein Augenblick verzehrt oft eines Jahres Sorgen;
7: Man schaut, wie unser Fleiß von Kindern wird verlacht,
8: Der Abend tadelt oft den Mittag und den Morgen.

  • Im zweiten Abschnitt wird das Leben der Menschen verglichen mit der Arbeit an einem Feuerwerk. Entscheidend ist dabei wiederum die Vergänglichkeit und zwar in ihrer besonders schnellen Form.
  • Es folgen dann noch zwei weitere Beispiele für die Vergeblichkeit dessen, was die Menschen tun:
    • Zum einen ist da die negative Reaktion der Kinder auf das, was die Erwachsenen gemacht haben. Hier wird also eine Art Generationenkonflikt angesprochen.
    • Die Letzte Zeile konzentriert sich dann noch einmal auf Vergänglichkeit in einem kürzeren Zeitrahmen.
    • Es geht um die Erfahrung, dass das, was man eben erst gemacht hat, hinterher schon tadelnswert ist, also seinen Zweck nicht erfüllt.

9: Wir fluchen oft auf das, was gestern war getan,
10: Und was man heute küsst, muss morgen Ekel heißen,
11: Die Reimen, die ich jetzt geduldig lesen kann,
12: Die werd ich wohl vielleicht zur Morgenzeit zerreißen.

  • In der neunten Zeile der letzte Gedanke noch einmal aufgenommen und auf den vorherigen Tag bezogen.
  • Es folgt eine weitere Variante der Vergänglichkeit, nehme ich die Erfahrung, dass etwas, was man an einem Tag besonders liebenswert findet, einen am nächsten Tag regelrecht abschrecken kann.
  • In Zeile 11 und 12 geht das lyrische Ich dann auf die eigene Situation des Versemachens ein und wendet die Idee der Vergänglichkeit sogar auf die Reime in einem gerade geschriebenen Gedicht an.

13: Wir kennen uns, und das, was unser ist, oft nicht,
14: Wir treten unsern Kuss oft selbst mit steifen Füßen,
15: Man merkt, wie unser Wunsch ihm selber widerspricht,
16: Und wie wir Lust und Zeit als Sklaven dienen müssen.

  • In Zeile 13 wird das Problem auf die  nicht vorhandene Selbsterkenntnis des Menschen bezogen,
  • bevor dann noch mal der Gedanke des nur kurz gültigen Kusses aufgenommen wird.
  • Es folgt in Zeile 15 ein Hinweis auf die innere Zerrissenheit des Menschen
  • und schließlich sein Verfallensein an „Lust und Zeit“, womit das Schöne in der Welt und die damit verbundene guten Gefühle zum einen grundsätzlich infrage gestellt werden, bevor sie dann noch einmal als Opfer der Vergänglichkeit dargestellt werden..

17:Was ist denn diese Lust, und ihre Macht und Pracht?
18: Ein großer Wunderball, mit leichtem Wind erfüllet.
19: Wohl diesem, der sich nur den Himmel dienstbar macht,
20: Weil aus dem Erdenkloß nichts als Verwirrung quillet.

  • In den letzten vier Zeilen bitte noch einmal grundsätzlich infragegestellt, was denn „Lust“, „Macht“ und „Pracht“ wirklich sind und welche Bedeutung sie haben.
  • Die Zeile 18 versucht dann die traurige Wirklichkeit im Bild eines scheinbar besonderen Balls zu fassen, der aber nur „mit leichtem Wind“ gefüllt ist, also keine wirkliche Substanz hat.
  • Die letzten beiden Zeilen sind dann wiederum typisch für die religiöse Ausrichtung der Barockzeit. Denn dort wird all den negativen positiv gegenübergestellt, wenn man dem „Himmel“ dient. Das dürfte im christlichen Sinne eine Orientierung hin auf das Jenseits beinhalten.
  • Am Ende wird dann auf die biblische Schöpfungsgeschichte verwiesen: der Mensch ist nur ein „Erdenkloß“, also fast verhaftet im Irdischen und seinen Begrenzungen. Das ist nach Auffassung des lyrischen ich’s dann auch der Grund für all die „Verwirrung“, die es im menschlichen Leben gibt.

Das Gedicht zeigt:

  1. eine angeblich komplette Scheinexistenz, Nichtswürdigkeit bzw. Vergänglichkeit all dessen, was uns wertvoll vorkommt und uns Freude macht.
  2. Dem wird eine angeblich bessere Wirklichkeit gegenübergestellt, die mit der Orientierung in Richtung wohl des christlichen Himmels verbunden ist.

Kritik des Gedichtes:

  • Es ist sicher notwendig, die besonderen historischen Verhältnisse zu Lebzeiten von Hoffmann von Hoffmannswaldau zu berücksichtigen: 1616-1679.
  • Die sind besonders geprägt durch die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges.
  • Es lohnt sich wohl, dem Gedichte bzw. Lieder von Paul Gerhardt entgegenzusetzen, die zeigen, dass diese Barock-Standardsicht nicht die einzige Möglichkeit der Weltbetrachtung war:
    Auf der Seite:
    https://www.deutschlandfunk.de/lebensstationen-eines-pfarrers-100.html
    heißt es zum Beispiel:
    „In dunkler Zeit war er ein Tröster: 30-jähriger Krieg, Pest, Kindersterblichkeit, all das hat Paul Gerhardt erlebt und mit seinen über 130 Liedern versucht, ein Gegengewicht zu schaffen: ‚Geh aus mein Herz und suche Freud“'“

Kreativer Umgang mit dem Gedicht

Warum nicht ein Gegengedicht schreiben – hier mal ein Anfang, mit Rhythmus, aber ohne die Reim-Einschränkungen – als Anregung.

Das haben wir mal probiert – dabei haben wir viele Erfahrungen gemacht. Die sind mit dem Ergebnis auf der folgenden Seite zu finden:

https://textaussage.de/hoffmanswaldau-lust-der-welt-kreative-flucht

 

Weiterführende Hinweise