Kafka, „Der Nachbar“ – Klausur – sprachliche und rhetorische-Mittel (Mat846-4)

Das Besondere der „Mittel“ allgemein und in der Literatur

Literatur bedeutet immer auch den ganz bewussten Einsatz der Sprache – häufig wird sogar mit ihr gespielt. Damit soll Aufmerksamkeit erzeugt werden – vor allem mit Blick auf die zentralen Aussagen der Texte.

Grundsätzlich werden diese Mittel auch in Sachtexten angewendet, zum Beispiel in der Werbung oder in Reden. Auch dort kommt es ja auf Wirkung an – allerdings in einem realen Kontext.

Deshalb sprechen wir hier nicht mehr – wie früher – von literarischen Mitteln, eben weil diese Abweichungen vom normalen Sprachgebrauch etwas ganz Normales sind – immer dann, wenn man mit der Art und Weise der Darstellung auffallen möchte.

Wir haben hier erst mal einfach alles aufgelistet, was uns an solchen Mitteln im Text aufgefallen ist. Das reicht auch, allerdings sollte man sich um zwei Dinge Gedanken machen:

  • was bewirken sie an Ort und Stelle, also im Detail
  • inwieweit unterstützen sie die zentralen Aussagen

Übersicht über die gefundenen „Mittel“

  1. Metapher der Last „auf den Schultern“
    soll zeigen, dass das Geschäft den Ich-Erzähler durchaus bedrückt.
  2. Aneinanderreihung von Behauptungen, die mehr versprechen, als real wohl da ist.
    „So einfach zu überblicken, so leicht zu führen. Ich bin ganz jung und die Geschäfte rollen vor mir her.“
  3. Wiederholung des Nicht-Klagens
    „Ich klage nicht, ich klage nicht“
    Je mehr jemand so etwas behaupten muss, desto weniger stimmt es wohl.
  4. Gegensatz: „zögern“ – „frischweg“
    Hierdurch wird aus Sicht des Ich-Erzählers sein zentrales Problem deutlich.
  5. Küche: rhetorische Frage
    „aber wozu hätte mir die Küche gedient?“
    Dies macht die Unsicherheit des Ich-Erzählers deutlich.
  6. Indirekte Rede zeigt die einfache Übernahme von Fremd-Einschätzungen. Der Ich-Erzähler geht damit nicht kritisch-nachfragend-selbst denkend um.
    „Ich habe Erkundigungen eingezogen, man hat mir mitgeteilt,

    1. es sei ein Geschäft ähnlich dem meinigen.
    2. Vor Kreditgewährung könne man nicht geradezu warnen,
    3. denn es handle sich doch um einen jungen, aufstrebenden Mann,
    4. dessen Sache vielleicht Zukunft habe,
    5. doch könne man zum Kredit nicht geradezu raten,
    6. denn gegenwärtig sei allem Anschein nach kein Vermögen vorhanden.“
  7. Vergleich: „wie der Schwanz einer Ratte“
    Dies macht die negative Emotionalität des Ich-Erzählers deutlich. Die meisten Menschen fürchten sich nämlich vor Ratten, ekeln sich vor ihnen.
    Letztlich wird der mögliche Konkurrent auf die Stufe eines Untiers (um die Negativbewertung von „Unkräutern“ mal auf diesen Bereich zu übertragen.
  8. Klage/Selbstmitleid
    „die elend dünnen Wände“
    Indirekt beschreibt hier der Ich-Erzähler seine eigene Situation und vor allem Befindlichkeit.
  9. Verfolgungswahn – inhaltliche Übertreibung
    „Ich habe mir abgewöhnt, den Namen der Kunden beim Telephon zu nennen. Aber es gehört natürlich nicht viel Schlauheit dazu, aus charakteristischen, aber unvermeidlichen Wendungen des Gesprächs die Namen zu erraten. – Manchmal umtanze ich, die Hörmuschel am Ohr, von Unruhe gestachelt, auf den Fußspitzen den Apparat und kann es doch nicht verhüten, daß Geheimnisse preisgegeben werden.“
  10. Schlüsselbegriff „übertreiben“
    Einzelne Begriffe wie dieser sind in besonderer Weise geeignet, um etwas auf den Punkt zu bringen. Hier die völlige (negative) Übersteigerung der Realität im Bewusstsein des Ich-Erzählers.
  11. Beispiel für eine besonders einfallsreiche Übertreibung:
    Harras „braucht kein Telefon, er benutzt meines“
  12. Reihung der schwierigen eigenen Tätigkeiten, vgl. 2
    „ich dagegen muß,
    wenn geläutet wird,

    1. zum Telephon laufen,
    2. die Wünsche des Kunden entgegennehmen,
    3. schwerwiegende Entschlüsse fassen,
    4. großangelegte Überredungen ausführen“
  13. Dann ein sprachliches Bild, das wieder sehr stark für Übertreibung steht:
    „durch die Zimmerwand Harras Bericht erstatten“
    Spätestens jetzt merkt man, wie sehr Übertreibung ein zentrales Mittel der Gestaltung dieses Textes ist, womit er in die Nähe einer Satire rückt (siehe Aufgabe 2)
  14. Am Ende Höhepunkt der Verfolgungsfantasie
    „Vielleicht wartet er gar nicht das Ende des Gespräches ab, sondern erhebt sich nach der Gesprächsstelle, die ihn über den Fall genügend aufgeklärt hat, huscht nach seiner Gewohnheit durch die Stadt und, ehe ich die Hörmuschel aufgehängt habe, ist er vielleicht schon daran, mir entgegenzuarbeiten.“

Hinweis auf die Gesamtlösung auf einer Seite

Die sehr detaillierte Gesamtlösung findet sich hier. Dort kann man nachschauen, was die noch fehlenden Einzel-Seiten angeht (siehe Aufgabenstellung)
Dort gibt es auch eine Auflistung der inzwischen ausgelagerten Einzelaspekt-Seiten
https://textaussage.de/klausur-franz-kafka-der-nachbar

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