Klausur: Lars Krüsand, „Zwischen Zahlen und Küssen – Aufklärung und Romantik“ (Mat5857)

Aufgabenstellung:

  1. Arbeiten Sie aus dem Text von Lars Krüsand den Gedankengang und die Hauptaussagen heraus (mit Zitaten)
  2. Stellen Sie Überlegungen an, wie man in seinem Leben eine „Aufklärung-Romantik-Balance“ herstellen könnte, wie sie von Krüsand am Ende erhofft wird.

Lars Krüsand

Zwischen Zahlen und Küssen – Aufklärung und Romantik

Wie sehr sich Aufklärung und Romantik unterscheiden, kann man am besten an einem Gedicht von Novalis sehen.
https://textaussage.de/novalis-wenn-nicht-mehr-zahlen-und-figuren-heutige-bedeutung

Schon die erste Zeile, die gleichzeitig auch die Überschrift ist, macht eine Absage deutlich an „Zahlen und Figuren“.

D.h. nicht mehr das scheinbar Klare und Eindeutige der Zahlen soll im Vordergrund stehen. Auch Figuren, hier kann man an die Regeln der Logik denken, sind nicht entscheidend.

Die Aufklärung versuchte ja gerade, sich von dem transzendenten Blick der Offenbarungsreligionen zu lösen und sich ganz auf die Erfahrung (Empirie) und auf die Logik zu gründen.

Besonders das Christentum schränkte das freie Denken ja ein, weil alles unter dem Vorbehalt des Glaubens stand. Das zeigte sich besonders deutlich in der Barockzeit.

Die Aufklärung griff daher eher auf die Renaissance zurück, also die Wiederbelebung der Antike. Die hatte immerhin wesentliche Voraussetzungen im Hinblick auf die Wissenschaftlichkeit geschaffen.

Die Parallelbewegung des Humanismus bedeutete, dass der Mensch und sein Denken und zwar sein klares, konsequentes, quellengestütztes Denken im Vordergrund stand und nicht mehr nur göttliche Worte.

Wie schwierig es Aufklärer hatten, auf dieses neue Denken umzusteigen, zeigt sich am besten in Lessings Theaterstück „Nathan der Weise“. Er hatte nämlich versucht, eine modernere Sicht des Christentums in Form von Sachtexten zu behandeln. Das war ihm verboten worden, und zwar von seinem Fürsten. Die stützten ja ihre Macht sehr stark auf einen möglichst einheitlichen und festen religiösen Glauben. Lessing wich deshalb auf das Theater aus und nutzte deren Bühne, um zu Ausgleich und Frieden zwischen den großen Religionen beizutragen.

Deutlich werden der Ansatz, aber auch seine Grenzen in der zentralen Szene des Stückes. In ihr wird der Jude Nathan vom muslimischen Sultan gefragt, was denn der wahre Glaube sei. Als Ausweg aus dem Dilemma bot sich eine Parabel an. Das ist ja ein Text, der nicht direkt eine Antwort gibt, sondern auf einem Umweg. Also erst kommt die Erkenntnis bei einer fremden Sache, dann erst die Übertragung auf den wirklichen Streit. Als Lösung für ihn bietet das Stück den Rat: Seid nett und fair zueinander und wenn ihr dann viele Freunde habt, ist das der beste Beweis für eure Glaubensüberzeugung.

Das war natürlich für jeden Vertreter der so genannten Offenbarungsreligionen (Judentum, Christentum, Islam) ein nicht akzeptabler Ansatz. Der wurde dann auch nicht weiter im Stück kritisch diskutiert. Man lag sich in den Armen und alles war gut. Etwas provokativ könnte man sagen, dass dieses Aufklärungsdrama entweder auf wirkliche, also auch selbstkritische Klärung verzichtete oder das bewusst dem Leser beziehungsweise Zuschauer überließ.

Die Romantiker hatten es da deutlich leichter. Sie stiegen nicht groß in Sachstreitigkeiten ein, sondern zogen sich in die Welt von Poesie und Fantasie zurück. So heißt es im Gedicht von Novalis einfach:
„Wenn die, so singen oder küssen, / Mehr als die Tiefgelehrten wissen. Das wird dann sogar noch provozierend verstärkt:
„Wenn dann sich wieder Licht und Schatten / Zu echter Klarheit werden gatten“. Deutlicher kann man es nicht ausdrücken, dass es nicht um mathematische oder logische Klarheit geht, sondern um die Akzeptanz auch vielfältiger Zwischenzustände zwischen Licht und Schatten.

Kein Wunder auch, dass dann „in Märchen und Gedichten“ die „wahren Weltgeschichten“ zu finden sind.

Am Ende dann ein geradezu revolutionärer Schlusssatz:
„Dann fliegt vor einem geheimen Wort / Das ganze verkehrte Wesen fort.“

Es liegt in der Romantik also eine völlig andere Sicht der Welt vor, die eine ganz eigene Art von Transzendenz aufweist – nämlich mehr zu sein, als man sieht. Deutlich wird das am besten in Eichendorffs Gedicht „Wünschelrute“:
https://www.schnell-durchblicken2.de/romantik-aktualitaet
„Schläft ein Lied in allen Dingen, / Die da träumen fort und fort, / Und die Welt hebt an zu singen, / Triffst du nur das Zauberwort.“

Abschließend sei noch auf Eichendorffs Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ verwiesen. In ihr ist nicht nur der Titel eine Provokation für alle „Philister“. Damit meinten die Romantiker Leute, die sich vorwiegend um ihren Lebensunterhalt kümmerten. Sondern auch noch das Schicksal dieses „Taugenichts“. Der erlebt zwar einige Schwierigkeiten, aber die „Gunst“ Gottes oder allgemeiner des Schicksals ist stets auf seiner Seite – getreu der eingebauten Liedzeile: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt.“

Das ist ja in unserer Zeit deutlich einfacher geworden als zu Eichendorffs Zeiten. Aber die meisten fliegen mit Reiseversicherung und entsprechend den guten Ratschlägen des Auswärtigen Amtes. Das wird wohl seine Gründe haben. Aber: Vielleicht gibt es ja nicht nur eine „Work-Life-Balance“, sondern auch eine zwischen „Zahlen und Küssen“.