Klausur zu Kafka, „Der Schlag ans Hoftor“ – mit Einordnung in sein Menschen- und Weltbild (Mat5919 )

Worum es hier geht:

Präsentiert wird eine Klausur, in der es darum geht, die Erzählung „Der Schlag ans Hoftor“ von Franz Kafka zu analysieren und im Hinblick auf Kafkas Menschen- und Weltverständnis zu interpretieren.

Hier zunächst eine Vorschau, darunter dann Aufgabe und Text und am Ende noch eine Druckvorlage.

Aufgabe:

  1. Analysieren Sie die unten abgedruckte Erzählung von Franz Kafka, indem Sie
    1. Sie zunächst in einem Einleitungssatz vorstellen und dabei das Thema bestimmen.
    2. In etwa 5 Sätzen kurz den Inhalt beschreiben,
    3. die Erzählschritte vorstellen, in denen aus der Frage, was die Schwester überhaupt gemacht hat, schließlich eine aussichtslose Lage für ihren Bruder entsteht,
    4. zusammenfassend die Aussagen der Geschichte herausarbeiten und
    5. zeigen, mit welchen sprachlichen und rhetorischen Mitteln sie unterstützt werden.
  2. Ordnen Sie diese Geschichte in das im Unterricht besprochene Weltbild Kafkas ein und bestimmen Sie den besonderen Beitrag dieser Erzählung dazu.

Franz Kafka

Der Schlag ans Hoftor

Es war im Sommer, ein heißer Tag. Ich kam auf dem Nachhauseweg mit meiner Schwester an einem Hoftor vorüber. Ich weiß nicht, schlug sie aus Mutwillen ans Tor oder aus Zerstreutheit oder drohte sie nur mit der Faust und schlug gar nicht. Hundert Schritte weiter an der nach links sich wendenden Landstraße begann das Dorf. Wir kannten es nicht, aber gleich nach dem ersten Haus kamen Leute hervor und winkten uns, freundschaftlich oder warnend, selbst erschrocken, gebückt vor Schrecken. Sie zeigten nach dem Hof, an dem wir vorübergekommen waren, und erinnerten uns an den Schlag ans Tor. Die Hofbesitzer werden uns verklagen, gleich werde die Untersuchung beginnen. Ich war sehr ruhig und beruhigte auch meine Schwester. Sie hatte den Schlag wahrscheinlich gar nicht getan, und hätte sie ihn getan, so wird deswegen nirgends auf der Welt ein Beweis geführt. Ich suchte das auch den Leuten um uns begreiflich zu machen, sie hörten mich an, enthielten sich aber eines Urteils. Später sagten sie, nicht nur meine Schwester, auch ich als Bruder werde angeklagt werden. Ich nickte lächelnd. Alle blickten wir zum Hofe zurück, wie man eine ferne Rauchwolke beobachtet und auf die Flamme wartet. Und wirklich, bald sahen wir Reiter ins weit offene Hoftor einreiten. Staub erhob sich, verhüllte alles, nur die Spitzen der hohen Lanzen blinkten. Und kaum war die Truppe im Hof verschwunden, schien sie gleich die Pferde gewendet zu haben und war auf dem Wege zu uns. Ich drängte meine Schwester fort, ich werde alles allein ins Reine bringen. Sie weigerte sich, mich allein zu lassen. Ich sagte, sie solle sich aber wenigstens umkleiden, um in einem besseren Kleid vor die Herren zu treten. Endlich folgte sie und machte sich auf den langen Weg nach Hause. Schon waren die Reiter bei uns, noch von den Pferden herab fragten sie nach meiner Schwester. Sie ist augenblicklich nicht hier, wurde ängstlich geantwortet, werde aber später kommen. Die Antwort wurde fast gleichgültig aufgenommen; wichtig schien vor allem, daß sie mich gefunden hatten. Es waren hauptsächlich zwei Herren, der Richter, ein junger, lebhafter Mann, und sein stiller Gehilfe, der Aßmann genannt wurde. Ich wurde aufgefordert in die Bauernstube einzutreten. Langsam, den Kopf wiegend, an den Hosenträgern rückend, setzte ich mich unter den scharfen Blicken der Herren in Gang. Noch glaubte ich fast, ein Wort werde genügen, um mich, den Städter, sogar noch unter Ehren, aus diesem Bauernvolk zu befreien. Aber als ich die Schwelle der Stube überschritten hatte, sagte der Richter, der vorgesprungen war und mich schon erwartete: „Dieser Mann tut mir leid.“ Es war aber über allem Zweifel, daß er damit nicht meinen gegenwärtigen Zustand meinte, sondern das, was mit mir geschehen würde. Die Stube sah einer Gefängniszelle ähnlicher als einer Bauernstube. Große Steinfliesen, dunkel, ganz kahle Wand, irgendwo eingemauert ein eiserner Ring, in der Mitte etwas, das halb Pritsche, halb Operationstisch war.

Könnte ich noch andere Luft schmecken als die des Gefängnisses? Das ist die große Frage oder vielmehr, sie wäre es, wenn ich noch Aussicht auf Entlassung hätte.

Entnommen der Seite:
https://www.textlog.de/kafka/erzaehlungen/nachlass/der-schlag-ans-hoftor

Druckvorlage

Mat5919 Klausur Kafka Hoftor

Lösungshilfen zu Aufgabe 1.1

Die folgenden Lösungselemente sind zusammen mit unserem Referenzschüler Latus Crux entwickelt worden.

Aufgabe:

Sie zunächst in einem Einleitungssatz vorstellen und dabei das Thema bestimmen.

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine kurze Erzählung von Franz Kafka mit dem Titel „Der Schlag ans Hoftor“. Thematisch geht es um die Frage, wie in einer absurd wirkenden Welt aus einer minimalen Kleinigkeit einen maximal hoffnungslosen Endzustand auslöst.

Lösungshilfen zu Aufgabe 1.2

  1. In der Geschichte geht es um einen Ich-Erzähler, dessen Schwester irgendetwas mit einem Hoftor gemacht hat, was am Ende seine Verhaftung auslöst.
  2. Die wird dadurch vorbereitet, dass andere Leute schon von einem Vergehen oder gar Verbrechen ausgehen,
  3. das dann tatsächlich auch die Verfolgung durch eine Reitertruppe auslöst.
  4. Die Schwester darf erstaunlicherweise gehen,
  5. dem Ich-Erzähler schwindet allerdings jede Hoffnung, nachdem der Richter ihm schon sein Mitleid ausgedrückt hat.

Lösungshilfen zu Aufgabe 1.3

Was die folgende Aufgabe angeht:
die Erzählschritte vorstellen, in denen aus der Frage, was die Schwester überhaupt gemacht hat, schließlich eine aussichtslose Lage für ihren Bruder entsteht,
könnte man etwa so beginnen.

Überleitung:
Bei der Vorstellung des Inhalts ist deutlich geworden, dass diese Erzählung vor allem durch große Prozesse der Veränderung bestimmt ist.

Im Folgenden werden die einzelnen Entwicklungschritte beschrieben.

  1. Der Ich-Erzähler (IE) beschreibt zunächst einen ganz normalen Nachhauseweg mit seiner Schwester, bei dem es einen kleinen Vorfall gibt, der aber überhaupt nicht klar ist, vor allem aber keinen Schaden angerichtet hat.
  2. Umso erstaunlicher ist es für den IE und für den Leser, dass im zweiten Schritt die Bewohner eines Dorfes, die das gar nicht mitbekommen haben dürften, „gebückt“ sind „vor Schrecken“ und eine Untersuchung durch Hofbesitzer ankündigen.
  3. Der IE reagiert darauf mit Gelassenheit, was wohl auch dem Leserempfinden entspricht.
  4. Von den Dorfbewohnern wird dann noch nachgeschoben, dass auch der IE angeklagt werde.
  5. Im dritten Schritt erscheint dann in der Ferne eine sich rasch nähernde Reiterschar.
  6. Die interessiert sich dann absurderweise überhaupt nicht für die inzwischen weggeschickte Schwester, „wichtig schien vor allem, dass sie mich gefunden hatten“.
  7. Auch jetzt noch behält der IE als „Städter“ eine herablassende Selbstsicherheit gegenüber dem „Bauernvolk“.
  8. Das ändert sich erst, als der Richter ihm deutlich macht, dass er ihm „leid“ tue.
  9. Das führt dazu, dass der IE sich in sein Schicksal ergibt, das eine wie eine Folterkammer wirkende Zelle schon vorausdeutet.
  10. Deutlich wird insgesamt, dass ein Nicht-oder Kaum-Vorfall hier auf abwitzige Art und Weise zu einem Verbrechen hochstilisiert wird, das auch noch dem Falschen angelastet wird und in einer gegenläufigen Bewegung seine Freiheit bis in ein Nichts einschränkt.

 

Hinweis auf eine ausformulierte Probeklausur

Wir haben auf einer anderen Seite gezeigt, wie man das Problem lösen kann, dass eine Lehrkraft nur allgemeine Interpretationsaufgaben gibt – ohne sie im Einzelnen aufzuschlüsseln.
https://textaussage.de/kafka-der-schlag-ans-hoftor-beispiel-fuer-eine-probeklausur-um-letzte-unklarheiten-zu-beseitigen

Weitere Infos, Tipps und Materialien