Novalis „Wohin ziehst du mich …“ Elemente des Sturm und Drang (Mat8157-sud)

Worum es hier geht:

Wir zeigen hier, wie ein Gedicht von Novalis, das wir auf der Seite
https://textaussage.de/klausur-novalis-wohin-ziehst-du-mich-vergleich-romantik-sturm-und-drang
vorgestellt haben,
auch Elemente des Sturm und Drang enthält.

Vergleich mit Kennzeichen des Sturm und Drang

1. Gefühl und Herz – leidenschaftlicher Überschwang

Z. 1–3: „Wohin ziehst du mich, / Fülle meines Herzens, / Gott des Rausches“
→ Das lyrische Ich erlebt eine übermächtige Gefühlsbewegung.
Bezug: Typisch Sturm und Drang ist das Ausleben starker Emotionen („Genieästhetik“), während in der Romantik das Gefühl oft zur geistigen oder religiösen Erfahrung wird.
Fazit: Herzüberfüllung und Ekstase verbinden beide Epochen.


2. Natur als Erfahrungsraum – Wildheit und Transzendenz

Z. 4–6: „Welche Wälder, welche Klüfte / Durchstreif ich mit fremdem Mut.“
→ Die Natur erscheint ursprünglich, ungezähmt, seelisch aufgeladen.
Bezug: Im Sturm und Drang spiegelt die Natur die innere Leidenschaft (Goethes „Ganymed“).
In der Romantik dagegen öffnet sie den Zugang zum Geheimnisvollen und Unendlichen.
Fazit: Stürmerdrängende Bewegung in romantischer Verfremdung.


3. Selbstüberhöhung und Genie-Ideal

Z. 7–9: „Cäsars ewigen Glanz mich flechten / Und den Göttern ihn zugesellen.“
→ Das Ich überschreitet menschliche Grenzen, strebt nach Göttlichkeit.
Bezug: Typisch Sturm und Drang: das schöpferische Genie, das sich über Normen erhebt.
Bei Novalis wird dies spirituell gewendet – das Ich sucht göttliche Einheit, nicht Macht.
Fazit: Selbstvergöttlichung des Genies wird mystisch überhöht.


4. Sprachliche Kühnheit – „Unerhörte Dinge“

Z. 10–12: „Unerhörte, gewaltige / Keinen sterblichen Lippen entfallene / Dinge will ich sagen.“
→ Das lyrische Ich versteht sich als Sprachschöpfer, der Unsagbares ausdrückt.
Bezug: Sturm und Drang: kreative Selbstermächtigung, Auflehnung gegen sprachliche Konvention.
Romantik: Sprache als Medium des Geheimnisses.
Fazit: Das „Unerhörte“ verbindet geniales Pathos mit romantischer Sprachmystik.


5. Fremdheit und Entrückung

Z. 17–22: „So dünkt mir seltsam und fremd / Der Flüsse Gewässer / Der einsame Wald.“
→ Die Welt erscheint entrückt, nicht mehr vertraut.
Bezug: Im Sturm und Drang erlebt der Mensch sich eins mit der Natur; in der Romantik überwiegt die Erfahrung der Trennung und Sehnsucht.
Fazit: Hier zeigt sich der deutliche Übergang zur Romantik.


6. Gesamtbewertung

Das Gedicht steht an der Schwelle zwischen beiden Epochen:

  • Gefühlsexzess, Rausch und Geniebewusstsein (Sturm und Drang),

  • Transzendenzsuche, Fremdheitserfahrung und Mystik (Romantik).

Schlussgedanke:
Novalis verwandelt den aufbegehrenden „Sturm des Herzens“ in einen geistigen Aufstieg.
Wo der Stürmer und Dränger die Welt erobern will, sucht der Romantiker das Unendliche.

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