Schnell durchblicken bei der Geschichte „Land der langen Löffel“ von Jorge Bucay

Worum es hier geht:

Vorgestellt wird die kurze Erzählung „Land der langen Löffel“ von Jorge Bucay.

Gefunden haben wir die Geschichte hier.

Wir kommentieren die einzelnen Erzählschritte, nachdem wir kurz den Abschnittsbeginn genannt haben.

Besonders achten wir auf die im Text enthaltene Leserlenkung.

Die entscheidenden Kriterien für die Nutzung im Unterricht:

  1. Thema: Anleitung zu stärker gemeinschaftlichem Handeln
  2. Lern-Schwerpunkt(e): Leserlenkung, Kritik
  3. Aktivität: Kreative Suche nach einer Behebung der kritischen Stellen

Zunächst eine Kurzfassung:

  1. Die Geschichte ist ganz offensichtlich eine Parabel, die märchenhaft beginnt, dann aber auf eine „Moral“ im Sinne von Erkenntnis oder Einsicht hinausläuft.
  2. Präsentiert wird der sogenannte Bildteil der Parabel:
    Er soll deutlich machen,

    1. dass die Menschen verhungern, wenn sie nur an sich denken.
    2. dass sie allerdings überleben oder besser leben, wenn jeder an den anderen denkt.
  3. Das soll offensichtlich dem Mann in der Geschichte, aber vor allem uns selbst zu denken geben.
    Das heißt: Der Sachteil der Parabel ist unsere Alltagswelt, in die wir die Moral, die Lehre der Geschichte übertragen sollen.
  4. Problem dabei ist, dass
    1. zum einen der Mann nicht auf den Gedanken kommt, den Leuten im schwarzen Raum einen Tipp zu geben.
      Hier kann man sich kreativ etwas einfallen lassen, um das Problem zu beheben.
      Weiter unten sind wir darauf eingegangen und haben zwei Vorschläge gemacht.
    2. Außerdem geht die Geschichte von der Prämisse (der Voraussetzung) aus, dass man dem anderen helfen soll, dann bekommt man selbst auch Hilfe.
    3. Das widerspricht natürlich der Alltagserfahrung und fordert geradezu nach einer kreativen Antwort heraus.
  5. Dennoch bleibt die Geschichte sehr bedenkenswert.
    Es lohnt sich auf jeden Fall, sich Fälle auszudenken, in denen das Prinzip gilt:
    Man kommt selbst weiter, wenn man anderen hilft.

Ab: „Es war da einmal ein Mann“

  • Die Geschichte beginnt im Märchenstil, sie beginnt aber nicht inhaltlich mit einem Märchenmotiv.
  • Es geht um einen Mann, der viel gereist ist. Interessant ist die Einbeziehung auch imaginärer, also nur vorgestellter Länder
  • Leserlenkung:
    Als Leser ist man gespannt, was darunter zu verstehen ist.

Ab: „Eine Reise, die sich ihm tief eingebrannt hatte“

  • In einem zweiten Erzählschritt wird eine der Reisen hervorgehoben.
  • Dabei wird die besondere Bedeutung für das Gedächtnis durch das Bild des Einbrennens betont.
  • Leserlenkung:
    Für den Leser steigt hier die Spannung.

Ab: „Als abenteuerlustiger Mensch“

  • Die Erinnerung ist verbunden mit dem Hinweis auf Abenteuerlust.
  • Man weiß nicht so genau, ob es sich um Zufall handelt oder um einen inneren Drang.
  • Auf jeden Fall endet der Abstecher an einem großen Gebäude mit der seltsamen Inschrift: Land der langen Löffel.

Ab: „Dieses kleine Land besteht“

  • Als Nächstes wird das Innere dieses Gebäudes beschrieben
  • Deutlich wird die Konzentration auf den Gegensatz: Schwarz und Weiß.

Ab: „Der Mann ging den Gang entlang“

  • Nach der allgemeinen Beschreibung wendet sich die Geschichte jetzt wieder, dem Mann zu.
  • Im Gebäude stößt er bald auf das schwarze Zimmer, wo er „Ächzen und Stöhnen“ hört.
  • Leserlenkung: Die Spannung erreicht hier die Ebene des Schreckens.
    Man befürchtet Schlimmes.

Ab: „Einen Moment lang zögerte er“

  • Hier gibt es jetzt eine kleine Verzögerung, die aber letztlich noch die Spannung weiter steigert.
  • Leserlenkung:
    Es ist der Fantasie des Lesers überlassen, was man hier erwartet, zwischen Krankheit, Verzweiflung und Folter.

Ab: „Um einen riesigen Tisch herum“

  • Präsentiert wird eine Situation, die im Hinblick auf die Realität recht unwahrscheinlich erscheint.
  • Das verstärkt den Eindruck, dass diese Geschichte eine andere, allgemeinere, vielleicht bildhafte Bedeutung haben muss.
  • Als Kern kann man auf jeden Fall herausarbeiten, dass
    • es hier eine Fülle gibt,
    • allerdings auch eine, die unereichbar ist.
  • Wer sich in der Mythologie etwas auskennt, könnte an die exemplarische Bestrafung des Tantalus denken.
    Siehe das Bing-Recherche-Ergebnis weiter unten:

Ab: „Die Lage war hoffnungslos“

  • Geschildert wird die Reaktion des Mannes. Er findet die Lage und das Wehklagen so schlimm, dass er direkt die Flucht ergreift.
  • Leserlenkung:
    Hier kann man sich überlegen, welche Alternativen es gegeben hätte.
    Man muss allerdings daran denken, dass diese Geschichte wahrscheinlich bildhaft auf eine Moral konzentriert worden ist.
  • Von daher geht es eher wohl um die Realität, die in diesem Bild verarbeitet worden ist – als um eine echte in der Wirklichkeit.

Ab: „Er kehrte in den Hauptsaal zurück“

  • Deutlich wird hier ebenfalls der Konstruktionsgrad die Geschichte, denn jetzt geht es in die Gegenwelt, die nicht nur farblich hell gekennzeichnet ist, sondern ganz offensichtlich auch keinen Anlass gibt zu Wehgeschrei.
  • Leserlenkung:
    Auch hier kann man überlegen, wie diese Geschichte weitergehen könnte.

Ab: „Auch hier saßen etwa hundert Personen“

  • Die Spannung steigt hier, es lohnt sich also, diese Geschichte abschnittsweise zu lesen oder zu präsentieren.
  • Denn dann entstehen genau die Vorstellungen und Bilder, die die einzelnen Leser vor dem Hintergrund ihre Erfahrungen und Voraussetzungen haben können.

Ab: „Aber hier beklagte sich niemand“

  • Jetzt merkt man, worauf diese Beispiel-Erzählung hinausläuft.
    • Es geht um das Prinzip, was man alleine nicht erreichen kann, erreicht man gemeinsam.
    • Und in diesem Falle nicht durch eine gemeinsame Kraftanstrengung, sondern um gegenseitige Fürsorge.
  • Leserlenkung:
    • Man fragt sich allerdings, ob diese Geschichte ausreichend realistisch konstruiert worden ist.
    • Zu dem Zweck muss man noch einmal zurückblenden in die Anfangssituation. Denn dort wird ja die Situation genauer beschrieben.
  • Wer die Details noch im Gedächtnis hatte, weiß natürlich schon, dass diese Geschichte wirklich gut konstruiert worden ist.
  • Denn mit dem langen Löffel erreicht man die Speisen, kann sie aber verständlicherweise nicht in den eigenen Mund schieben.
  • Aber tatsächlich ist es so, dass man natürlich einen anderen in ausreichend großer Entfernung bedienen kann.
  • Wenn alle das auch machen, ist das Problem gewissermaßen rundum gelöst.

Ab: „Der Mann lächelte, machte kehrt“

  • Der Mann ist wohl ganz im Sinne des Autors gut zufrieden.
  • Die Moral der Geschichte ist erreicht.
  • Am Ende findet eine entsprechende Übertragung auf die Realität statt.
  • Offen bleibt allerdings, ob dieser Mann tatsächlich auch die Moral zum Anlass nimmt für für eigenes Handeln.
  • Aber das ist kennzeichnend für eine Parabel: Wer sie hört, soll selbst auf die Moral kommen und sie für sich beurteilen.
  • Woran der Autor anscheinend nicht gedacht hat, ist, dass der Mann natürlich in den anderen Raum rübergehen könnte.
  • Denn die Leute dort sind ja im Extremfall nur nicht auf den Gedanken gekommen, sich gegenseitig zu ernähren.
  • Nun kann man ja mal überlegen, wie man diese Geschichte so abändern oder erweitern kann, dass diese pädagogische Hilfestellung nicht möglich ist.
    • Eine Idee wäre, dass man gewissermaßen einen Schlüssel bekommt, der nur zweimal verwendet werden kann.
    • Oder aber vor jeder Tür steht ein Wächter, der dem Mann klarmacht, dass diese Welt so aufgebaut ist, dass man selbst drauf kommen muss. Das wäre übrigens noch eine schöne Erweiterung der Geschichte.

Zum Vergleich: Die antike Sage von Tantalus

Nun der Hinweis auf die antike Geschichte von Tantalus:

Wir haben das KI-Chat-Programm Bing nach dem Mann gefragt, der nach einem Vergehen gegen Menschlichkeit und Götter bestraft wurde, indem er in einem Teich stand und nicht trinken konnte. Wenn immer er sich um Wasser hinunterbeugt, weicht es vor ihm zurück.

Wir präsentieren hier die Antwort in kursiver Schrift und kommentieren sie:

  • Bing
  • Der Mann, der von den Göttern bestraft wird, in dem das Wasser immer vor ihm zurück reicht, wenn er trinken will, heißt Tantalos. Er ist eine Figur der griechischen Mythologie und der Vater des Pelops, des Niobe und des Broteas.
  • Er war ein Freund der Götter und durfte an ihrem Tisch speisen. Doch er missbrauchte ihr Vertrauen und verriet ihre Geheimnisse an die Menschen.
  • Außerdem tötete er seinen eigenen Sohn Pelops und kochte ihn, um die Götter zu prüfen, ob sie seine Tat bemerken würden.
    • Kommentar: Deutlich wird hier, welch schauerliche Extreme antike Sagen enthalten.
    • Anscheinend gab es damals schon ein Bedürfnis nach Horror.
  • Die Götter durchschauten jedoch seinen Frevel und brachten Pelops wieder zum Leben.
  • Als Strafe für seine Hybris wurde Tantalos in den Tartaros, die tiefste Region der Unterwelt, verbannt.
    • Hybris ist ein Schlüsselbegriff, der in allen Zeiten gültig ist und sich nicht auf antike Götter beziehen muss.
    • Hybris ist alles, wobei ein Mensch versucht, wie ein Gott zu handeln – ohne über Allwissenheit und Allmacht zu verfügen.
    • Anregung: Hier lohnt es sich, sich mit dem sog. Transhumanismus zu beschäftigen. Dort will man das jetzige Menschsein überwinden und auf einen neuen Level heben. Damit sind möglicherweise Chancen verbunden, es gibt aber auch Sorgen.
      Hier könnte man zum Beispiel den folgenden Vortrag auswerten:
      https://www.boell-bw.de/de/2021/03/15/das-leben-kuenstlich-oder-menschlich-machen-kritik-des-transhumanismus
  • Dort musste er ewig Hunger und Durst leiden.
  • Kommentar:
    Insgesamt werden die Bezüge zur antiken Sage von Tantalus überdeutlich. Auch das kann man in eine entsprechende Diskussion einbeziehen.
  • Außerdem hat sich mal wieder gezeigt, wie nützlich die KI-Chat-Programme sein können, wenn man nur noch ungefähr etwas weiß und vor allem gleich die richtige Stelle in einer Quelle haben möchte.
  • Bing von Microsoft erscheint uns besonders nützlich, weil hier die Quellen ausgewertet und angegeben werden, man also den Recherchevorgang nachvollziehen kann.

Weitere Infos, Tipps und Materialien