Anders Tivag, „Verteidigung der Quengler“ (Mat5889)

Anders Tivag

Verteidigung der Quengler

  • Heute ein dreifaches Glück:
    • Zunächst bei dem Sohn eines Bekannten Einblick in einen äußerst interessanten Artikel der Berliner Zeitung bekommen.
    • Nun das zweite Glück:
      Man durfte dieses wunderbare Aufgabenblatt kurz mitnehmen, denn im Internet war es nur hinter einer Bezahlschranke zu erreichen. Und für diesen Artikel wollten wir nun wirklich nicht bezahlen. Warum, sagen wir gleich.
      Hier aber zunächst der Link zu dem Artikel, damit jeder nachprüfen kann, ob unsere Sicht der Dinge akzeptabel ist.
      https://www.berliner-zeitung.de/archiv/kolumne-offen-gesagt-schluss-mit-dem-bvg-gequengel-li.1251430
    • Damit sind wir bei unserem dritten Glück: Es handelt sich nämlich um den Stoff, aus dem man schön einen Blog- Artikel machen kann.
  • Zunächst eine Vorbemerkung:
    Wir schätzen die Berliner Zeitung sehr – das bleibt auch so, wenn sie uns mal Gelegenheit zum Widerspruch herausfordert.
    Wir erwähnen hier auch den Namen der Autorin nicht, weil es nicht um Kritik an ihr geht, sondern es geht um den Ton und die Haltung, in der mit Nutzern des Öffentlichen Personennahverkehrs in diesem bestimmten Fall umgegangen wird.
    Über den Link kann sich jeder selbst weiter informieren.
    Der Artikel ist übrigens aus dem Jahr 2014 – es geht hier also nicht um die möglicherweise inzwischen sehr viel schönere BVG-Wirklichkeit in Berlin, sondern eben um „Ton und Haltung“ (s.o) des Artikels.
  • Aber der Reihe nach:
    Schon die Überschrift
    „Schluss mit dem BVG-Gequengel“
    hat uns in eine bestimmte Stimmung versetzt.
    Das war für uns nämlich immer der Ton, in dem die Mächtigen mit den Ohnmächtigen sprechen.
    (Unsere Recherchen zu den in diesem Falle „Mächtigen“, die also was tun könnten, haben wir ans Ende unseres Blogbeitrags ausgelagert, weil das hier nur vom Eigentlichen, nämlich dem Ton un der Haltung des Artikels wegführen würde.
  • Nach der scharfen Anrede, man möge mit der Kritik aufhören, wird diese ausführlich präsentiert.
  • Aber vorher muss muss wahrscheinlich die Redaktion der Zeitung erst mal noch kurz nachlegen:
    „Berliner, Zugezogene, Berlin-Touristen, Berlin-Beobachter: Alle schimpfen, nörgeln und beschweren sich gerne. Vor allem über die U-Bahn und den öffentlichen Nahverkehr. Das ist so öde. Und nervt. Und: Es ist unfair, findet unsere Autorin.“
  • Das mag schon sein – aber was nervt die „Quengler“? Der Artikel fasst das so zusammen:

    „Schon wieder Verspätung. Oh weh, Schienenersatzverkehr. Herrje, war der Bus wieder voll. Und der Fahrer unfreundlich! Also sowas von mürrisch! Und erst die ganzen anderen Fahrgäste. Keine Manieren, alle zu laut, zu hässlich, zu große Fahrräder haben sie dabei und zu kleine Kinder.“
    Hier ist interessant, wie die Kritik an den Betreibern der Bahn mit menschlichen Normalitäten vermischt wird.
  • Im selben Stil geht es weiter:
  • „Es ist einfach nicht genug Platz in der Straßenbahn. Und die fährt ja auch viel zu selten. Und warum muss man eigentlich nachts so lange warten? Und dann diese Baustellen immer! Hier gesperrt; da eine Umleitung. Können die nicht nachts reparieren? Oder in einem anderen Leben? Einer anderen Zeitzone?“
    Wieder die gleiche Vermischung, wobei der geringe Platz möglicherweise auch damit zusammenhängen, dass zu wenige Verkehrsmittel eingesetzt werden.
    Und dann die Ungeheuerlichkeiten: Nachts eine Baustelle reparieren, das geht gar nicht. Das werden die gerne hören, die nach ihrer Nachtschicht vielleicht in Eis oder Regen auf einen vielleicht häufig verspäteten oder unnötig übervollen Bus warten.
  • Interessant dann das Ende:
    „Ach. Ja. Die BVG (und die S-Bahn). Quell fortwährenden Unglücks, eigentlich schuld an allem Leid des Berliners, Berlinbewohners, Berlinbesuchers. Schlimmer wird nur noch der Tourist beschimpft. Und beides ist so langweilig. So unerträglich öde. Wahrscheinlich, weil es mehr ums Quengeln geht als um die Sache selbst. Sich-über-die-BVG-Beschwerer sind wie unausgelastete Kinder. Es geht ihnen schlecht, sie warum und suchen etwas, was sie benörgeln können.“
    Das muss man unserer Meinung nach nicht mehr kommentieren. Wir haben selten einen Zeitungsartikel gelesen, der so einseitig eine Sichtweise vertritt und bei der sich die andere Seite regelrecht verhöhnt vorkommen kann.
  • Anschließend wird ausführlich aufgeführt, was die BVG alles leisten, vor allem, wie viele Leute sie jeden Tag durch Berlin transportieren.
  • Dummerweise wird nur eins dabei übersehen:
    Von anderen Ländern, zum Beispiel China, hört man, dass dort problemlos Millionen von Menschen zum traditionellen Neujahrsfest über Hunderte von Kilometern hinweg zu ihren Verwandten transportiert werden – und man hat den Eindruck: perfekte Organisation.
  • Aber wir haben natürlich Verständnis dafür, dass „Anstalten des öffentlichen Rechs“ nicht das Geld haben, um ihre Mitarbeiter in so ferne Länder zu schicken.
  • Wir waren übrigens auch noch nicht in China, hielten aber das, was wir in persönlichen Reiseberichten etwa auf YouTube vorfinden, durchaus für verlässlich.
  • Es gibt übrigens noch eine Möglichkeit, sich ohne große Kosten mit den Klagen von Nutzen des öffentlichen Nahverkehrsdirekt vertraut zu machen. Einfach mal ein paar Leute einladen und in Ruhe mit ihnen sprechen. Gegebenenfalls muss man ihnen nur zu Beginn des Gesprächs sagen, man halte sie nicht von vornherein für Quengler.
  • Vielleicht bekommt man dann auch eine Anregung, wie man – durch Zeitungen unterstützt – bei direkt oder indirekt verantwortlichen Politikern etwas erreichen könnte.
  • Und wenn zu unserem dreifachen Glück jetzt noch eins mehr hinzukommt, dann liest vielleicht ein Mensch von der Zeitung diesen Artikel oder wird von einem unserer Leser auf ihn aufmerksam gemacht – und es zeigt sich etwas zwischen Verständnis, vielleicht sogar Reue und vor allem Besserung.

Nachtrag: Infos zu den BVG

  • Unsere Recherchen in Richtung BVG haben wir hierhin ausgelagert, um das eigentliche Anliegen, nämlich die Auseinandersetzung mit dem Artikel oben zu entlasten.
  • Aber wer sind die in diesem Falle. Dazu muss man wissen, um was es sich bei der BVG handelt. Es handelt sich laut dem Webauftritt vom 10.10.2023 um die „Berliner Verkehrsbetriebe: BVG“
  • Sehr interessant fanden wir dann das in der Google-Kurzanzeige dann direkt Nachfolgende: „ – Weil wir dich lieben | BVG“
  • Hhm, dachten wir, wie passt das zu der Überschrift des Artikels. Der ist von 03.09.2014 | 13:14 Uhr – es kann sich also viel verbesser haben.
  • Aber es geht hier weder um Kritik an der Berliner Zeitung noch um Kritik an der BVG, sondern lediglich um eine inzwischen historische Quelle, die unter dem Gesichtspunkt: Halt – stopp. Jetzt mussten wir erst mal schauen, mit wem die Quengler es genau zu tun haben. Im aktuellen Wikipedia-Artikel
    https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Verkehrsbetriebe
    heißt es, dieses Unternehmen sei eine „Anstalt des öffentlichen Rechts“.
    Das reicht für das Thema: „Wie geht in diesem Artikel eine solche Anstalt mit denen um, die in einer Demokratie die Öffentlichkeit bilden“?
    Übrigens: Auf der Seite der zuständigen Senatsbehörde:
    https://www.berlin.de/sen/uvk/mobilitaet-und-verkehr/verkehrsplanung/oeffentlicher-personennahverkehr/finanzierung/
    ist von Steuerzuschüssen die Rede. Das heißt: Die meisten dieser Quengler zahlen also über die Steuern dafür, dass sie eine angemessene Gegenleistung bekommen.

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