Worum es hier geht:
Wir vergleichen zwei Wintergedichte, eins von Trakl, das den Herbst vor allem als Zeit der Jagd und damit des Todes betrachtet.
Das andere ist von Eichendorff aus der Zeit der Romantik und zeigt, wie auch im Winter neues Leben entstehen kann, aber nur im Traum und mit Bezug zu Gott.
Das Trakl-Gedicht – grafisch bearbeitet
Hier kurz eine Hilfe zum Rhythmus
Gefunden haben wir das Gedicht hier.
Hier zunächst die Klärung der betonten und unbetonten Silben und der Versuch einer Klärung.
Hier auch eine Audio-Präsentation:
Im Winter
Der Acker leuchtet weiß und kalt.
x X x X x X x X
vierhebiger Jambus
Der Himmel ist einsam und ungeheuer.
x X x x X x x X x X x
Hier haben wir eine Mischung aus dakytlischen Silbengruppen mit Auftakt und am Ende dann dann zwei Trochäen.
Dohlen kreisen über dem Weiher
X x X x X x x X x
Zwei Trochäen, dann eine daktylische Störung.
Und Jäger steigen nieder vom Wald.
x X x X x X x x X
zwei Jamben und dann wieder ein Daktylus.
Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.
x X x x X x X x X
wieder unregelmäßig
Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.
x X x X x X x X x
durchgehend Jambus
Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten
x X x X x X x X x
durchgehend Jambus
Und langsam steigt der graue Mond.
x X x X x X x X
durchgehend Jambus
Ein Wild verblutet sanft am Rain
x X x X x X x X
durchgehend Jambus
Und Raben plätschern in blutigen Gossen.
x X x X x x X x x X x
wieder unregelmäßig
Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.
x X x X x X x X x
durchgehend Jambus
Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.
x X x X x X x X
durchgehend Jambus
Das Eichendorff-Gedicht, grafisch bearbeitet
Kurzvorstellung des Gedichts:
In diesem Gedicht wird der Winter zunächst abweisend, dann aber auch gefährlich dargestellt. Nicht von ungefähr tauchen dann auch noch „Jäger“ auf.
In der zweiten Strophe entspannt sich dann alles scheinbar ein bisschen. Es ist sogar von „Feuerschein“ und „Hütten“ die Rede, was auf menschliche Bewohner schließen lässt. Auch ist von einem Schlitten die Rede.
Die letzte Strophe geht aber darauf nicht weiter ein, sondern schildert gleich das Ergebnis der Jagd aus der Sicht des Opfers. Die Zeile 10 lässt dann schon fast ein Blutbad ahnen. Am Ende gibt es noch „Rauch“, aber auch einen „leeren Hain“, die „Jäger“ scheinen erfolgreich „aufgeräumt“ zu haben.
Klausurbedeutung:
Das Folgende haben wir aus einem EBook übernommen, das wir hier mit Erlaubnis des Verfassers nutzen dürfen. Da werden noch mehr wichtige Gedichte des Expressionismus vorgestellt und jeweils im Hinblick auf den möglichen Einsatz bei einer Klausur bewertet.
Zu bekommen ist es u.a. hier.
Klausurbedeutung: @@@@
(Die Anzahl der @-Zeichen macht unsere Einschätzung der Klausurbedeutung sichtbar – wie die Sternchen bei Hotel-Bewertungen!)
Das Gedicht ist von der Länge her sehr gut für eine Klausur geeignet, auch inhaltlich hat es einiges zu bieten. Elemente des Expressionismus tauchen auch in ausreichender Länge auf. Allerdings wäre es gut, wenn im Unterricht Gedichte behandelt worden wären, mit denen man dies – möglichst kontrastierend – vergleichen kann.
Anregungen:
- Was unterscheidet einen Titel wie „Im Winter“ von „Winter“? Ist es eher eine Einschränkung bzw. Spezifizierung? Oder wird der Akzent eher darauf gelegt, was „im Winter“ „angerichtet“ wird, statt dass dem Winter alles eindeutig zugeordnet wird?
- Inwiefern könnte das „ungeheuer“ in Zeile 02 mehr sein als nur ein Eindruck, wenn man nach oben schaut? Kann es sich nicht auch auf das gesamte Geschehen beziehen?
- Was bedeutet es, wenn hier von den „normalen“ Menschen nur sehr am Rande gesprochen wird?
- Wie könnte man sie stärker zu Akteuren des Gedichtes machen, auch wenn das seine Aussage verändern würde?
- Was fällt auf beim Vergleich des Gedichts von Trakl mit dem von Eichendorff?
Anmerkungen zum Vergleich der beiden Gedichte:
1. Der Einstieg ist jeweils ähnlich, in beiden Fällen wird die Einsamkeit hervorgehoben, allerdings setzt Trakl gleich einen Akzent in Richtung Jagd und damit blutige Lebensgefahr.
2. Während Trakl anschließend noch bei der Beschreibung bleibt und sie etwas in Richtung Menschheit erweitert, konzentriert sich Eichendorff ganz auf einen Baum, der das Lyrische Ich mehr oder weniger ablöst, was das Zentrum der Gefühle angeht.
3. Entscheidend ist bei Eichendorff die Berührung des Baumes durch den Wind. Die Natur ist offensichtlich so eingerichtet, dass sie sich selbst in Bewegung setzt, in gewisser Weise auch heilt, was sich dann wohl auf den Menschen auswirkt.
4. Statt des Todes-Szenario bei Trakl hat man in der letzten Strophe einen typisch romantischen Traum mit Hoffnung auf eine neue „Frühlingszeit“, bei der auch „Gottes Lob“ und damit ein religiöser Bezug nicht fehlen darf.
5. Insgesamt sieht man also die Gemeinsamkeit von Verlassenheit bzw. Einsamkeit in der Winterzeit. Während diese dann bei Trakl aber nur durch Jagd und Tod abgelöst wird, haben wir bei Eichendorff Verzauberung und einen Hoffnungstraum im Gefühl einer großen Geborgenheit in einer göttlichen Weltordnung.