Klausur: Textanalyse und Interpretation – Franz Kafka, „Heimkehr“ (Mat5817)

Worum es hier geht:

Wir wollen zeigen, wie man eine Erzählung von Franz Kafka analysieren und interpretieren kann.

Wie schon häufiger haben wir hier Anregungen unseres Referenzschülers LatusCrux aufgenommen, der seine Teile natürlich auch anderweitig verwerten darf.

Zu finden ist die Erzählung u.a. hier .

Aufgabenstellung:

  1. Analysieren Sie die unten abgedruckte Erzählung Franz Kafkas,
    1. indem Sie in einem Einleitungssatz Gattung, Verfasser und Titel angeben sowie das Thema benennen,
    2. einen Überblick über den Inhalt geben
    3. die Textintentionalität (Ausssagen) des Textes klären
    4. und zeigen, mit welchen literarischen Mitteln diese unterstützt werden.
  2. Erörtern Sie, inwiefern und inwieweit dieser Text als Parabel bezeichnet werden kann.

Einleitung, Inhaltsbeschreibung, Intention und Thema

Einleitung:

  • Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine Erzählung von Franz Kafka mit dem Titel “Heimkehr”.
  • Thema der Erzählung ist die Frage, was jemanden noch angesichts des Elternhauses an der Heimkehr hindern kann.
    (Das rot gedruckte haben erst eingefügt, nachdem wir den Inhalt und die Aussagen verstanden haen – also ggf. am Anfang erst mal freilassen, aber nicht vergessen.)
    (siehe unten)

Inhaltsbeschreibung:

  • In der Einleitung beschreibt der Ich-Erzähler seine Situation: Er ist nach Hause zurückgekehrt, findet aber keinen ordentlichen Zustand vor.
  • Er stellt sich zunächst Fragen, wie er empfangen wird, wird dann aber angesichts der kalten Umgebung immer unsicherer, was die Distanz zu diesem Zuhause wachsen lässt.
  • Er fragt sich sogar, was er zu Hause nützen kann und stellt sogar seine Rolle als Sohn in Frage.
  • Er wagt keinen Zutritt und merkt, dass seine Distanz immer größer wird.
  • Am Ende vermutet er sogar, dass jemand, der die Tür öffnen würde, sein eigenes Geheimnis wahren will.

Aussagen / Die Erzählung zeigt

  • Eine Rückkehrsituation, bei der der Heimkehrer aber nichts Schönes vorfindet
  • und sich immer mehr fragt, ob er sich in dieser kalten Umgebung heimisch fühlen könnte.
  • Das führt zu wachsender Irritation und schließlich zu völligen Entfremdung.

Thema:

  • Thema der Erzählung ist die Frage, was jemanden noch angesichts des Elternhauses an der Heimkehr hindern kann.

Literarische Mittel:

Die Aussagen der Erzählung werden unterstützt durch:

  1. Gleich am Anfang durch eine Reihung von Tätigkeiten und Beobachtungen, die den Annäherungsprozess verdeutlichen.
  2. Es folgen bezeichnenderweise Fragen, die die abwartende, unsichere Situation des Ich-Erzählers zeigen.
  3. Das gedankliche Sich-Vortasten wird auch an den Anaphora und dem Parallelismus der Sätze deutlich, in denen der Ich-Erzähler seine Gefühle beschreibt, die starke Distanz ausdrücken: “mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, die ich teils vergessen habe, teils niemals kannte”.
  4. Das endet dann in der Extremvariante des Konjunktivs: “und sei ich auch des Vaters, des alten Landwirts Sohn”.
  5. Ausführlich stellt der Ich-Erzähler die Mutlosigkeit eines fast schon spionierenden Horchens dar, die letztlich Kombination und Austausch zwischen seiner Welt und der im Vaterhaus verhindert.
  6. Aufschlussreich ist die Reduktion auf eine Kindheitserinnerung, die deutlich macht, dass es hier weder Fortsetzung noch Weiterentwicklung geben kann.
  7. Das stärkste rhetorische Mittel findet sich am Ende, wenn das Wort “Geheimnis” auf zwei sehr unterschiedliche Arten verwendet wird, die aber beide der psychologischen Entlastung des Ich-Erzählers dienen.
    1. Im ersten Fall wird ein Geheimnis präsentiert, das nur auf Nicht-Annäherung, also letztlich der Feigheit des Ich-Erzählers beruht.
    2. Im zweiten Falle versucht der IE, sich aus der für ihn sicherlich peinlichen Gesamtsituation zu befreien, indem er sie auf den Level großer Geheimnisse hebt. Wenn das mehr als ein inhaltsloses Fluchtphänomen sein soll, dann müsste es weiter ausgeführt werden (z.B. eine Schuld, die der IE zu Hause bereinigen wollte).

Aufgabe 2: Parabeleigenschaft

  • Im Unterschied zu vielen anderen Geschichten Kafkas ist diese nicht durch Absurdidät gekennzeichnet, also einen großén Abstand zur nachvollziehbaren Wirklichkeitswahrnehmung.
  • Allerdings merkt man.an der Darstellung, dass sie weit von der einer normalen Kurzgeschichte entfernt ist.
  • Es lohnt sich also, das Erklärungsmodell auf die Geschichte anzuwenden, das bei vielen Erzählungen Kafkas funktioniert hat. Das heißt: Man hat am Ende ein in sich stimmiges Verständnis des Textes.
  • Wenn man „Heimkehr“ als Bildseite versteht und als Sachseite „Mensch in der Welt“ nimmt, dann  ergeben sich folgende Übereinstimmungen:
    • Jeder Mensch hat mehr oder weniger das Bedürfnis, eine Heimat zu haben, die über seinen Geburtsort und die sozialen Gegebenheiten seiner Kindheit hinausgeht. Es geht um das Gefühl, mit sich und seiner Existenz im Reinen zu sein. Das heißt: Man hat einen Platz in der Welt, dem man sich zugehörig fühlt.
    • Diese Erzählung macht dann auf exemplarische Art und Weise deutlich, dass ein/der Mensch bei der Rückkehr in seine Heimatwelt (etwa wenn er zur Ruhe kommt oder gar eine Bilanz seines Lebens ziehen muss) nichts Schönes mehr vorfindet, nur Unaufgeräumtes.
    • Das kann dazu führen, dass man vieles in Frage stellt, was man für sicher gehalten hat.
    • Man nähert sich seiner „Heimat“ nicht mehr weiter, stellt sich selbst und seine grundsätzliche Situation in Frage.
    • Das kann wie in diesem Falle dazu führen, dass die Distanz immer größer wird und man am Ende die „Heimat“ mit einem Geheimnis verbindet, das man nicht (mehr) kennt.
    • Insgesamt sieht man also, dass man wichtige Elemente des Textes auf die angesprochene Art und Weise übertragen kann, so dass man abschließend feststellen kann:
      • Diese Erzählung ist weniger deutlich bildhaft als die meisten Geschichten von Kafka.
      • Sie lässt sich aber als Parabel verstehen, als Gleichniserzählung für die Situation des Menschen in der Welt.

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