Gedichte der Aufklärung – Überblick und Beispiele (Mat1958-lyr)

Lyrik der Aufklärung – übersichtlich mit System

Die Literatur der Aufklärung ist wie die Philosophie der Zeit eine, in der die Vernunft des Menschen eine große Rolle spielt. Man glaubt an eine „Erziehung des Menschengeschlechts“. Ein berühmtes Beispiel ist Lessings Drama „Nathan der Weise“ mit der berühmten Ringparabel.
Weil Epochen im Deutschunterricht gerne an Hand von Gedichten vorgestellt werden, stellen wir hier einige Beispiele zusammen.

Kurzer Hinweis: Frage der Aktualität der Aufklärung

Wer sich für die Frage interessiert, was aus der Aufklärung bis heute geworden ist, sollte hier nachschauen:
https://schnell-durchblicken.de/aufklaerung-wie-aktuell-sind-ihre-ideen

Versuch einer Schaubild-Übersicht

Zur Anordnung der Gedichte

  • Oben rechts:
    • zwei Gedichte noch mit Religionsbezug – wie im Barock
  • Zweite Zeile
    • Dann links die Basis – Mensch tritt aus der Höhle = Metapher für Aufklärung
    • In der Mitte dann der Hinweis auf die Vermeintlichkeit des Fortschritts – Notwendigkeit der Beachtung der Natur
    • Ganz rechts dann die Bedeutung der Literatur als Erziehungs-Instrument
  • 3. Zeile von oben = konkrete „erzieherische“ Impulse in Gedicht-Form
    • gegen Geiz
    • begen Lüge
    • gegen Überschätzung des Reichtums
    • gegen falsche Freundschaft
    • gegen Stolz
  • Letzte Zeile unten
    • Problem des Verhältnisses von Sicherheit und Freiheit
    • Problem der Realität im Vergleich zu den Hoffnungen
    • Problem der Beziehungsrealität
    • Hier könnte man auch Brockes, „Die  Heide“ noch berücksichtigen
      Denn dort wird angedeutet, dass die Natur-Realität nicht alles ist,

      • es auch ein Bedürfnis nach Transzendenz gibt
      • vielleicht auch so etwas wie „Gottesfurcht“ (Dürrenmatt, Physiker)
      • oder wie die „Ehrfurcht vor dem Leben“ (Albert Schweitzer) wichtig ist, um menschliche Vernunft-Hybris zu verhindern
    • Ganz rechts könnte man ein Gedicht einfügen aus heutiger Sicht auf die Aufklärung
      (kreative Übung)
  • Hinweisen wollen wir hier auf zwei Gedichte zum Thema Krieg, die das Phänomen sehr unterschiedlich einschätzen:
    Claudius übt in seinem Gedicht vorsichtige Kritik am Krieg, was als modern und aufklärerisch gilt. Gleim hingegen verfasst ein Gedicht, das als hemmungslose Kriegspropaganda verstanden werden kann.
    https://textaussage.de/claudius-u-gleim-zwei-kriegslieder-im-vergleich
  • Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Parallel-Strömung „Empfindsamkeit“:
    Näheres dazu – vor allem im Hinblick auf Unterschiede zum „Sturm und Drang“ finden sich hier.
    https://textaussage.de/unterschied-zwischen-gedichten-der-empfindsamkeit-und-des-sturm-und-drang
  • Hinzugefügt haben wir inzwischen ein Gedicht, das sich mit den „Er-Folgen“ der Aufklärung aus heutiger Sicht beschäftigt:
    https://schnell-durchblicken.de/lars-kruesand-trauriger-rueckblick-gedicht-zu-den-er-folgen-der-aufklaerung


Wer sich dafür interessiert, kann es sich hier in einer Audio-Datei „auf die Ohren“ legen.

Nun zu unserer Liste

  1. Barthold Heinrich Brockes, Die Heide
    Näheres dazu siehe hier:
    https://schnell-durchblicken.de/brockes-die-heide
    Typisch für die Aufklärung ist das Hinausgehen in die Natur und die genaue Betrachtung.
    Bezeichnend ist aber auch, dass am Ende ein Bezug zu Gott hergestellt wird, womit sich eine Verbindung zur Barocklyrik ergibt.
  2. Barthold Heinrich Brockes, „Kirschblüte bei Nacht“ (1727)
    z.B. hier zu finden:
    https://schnell-durchblicken.de/barthold-heinrich-brockes-kirschbluete-bei-der-nacht
    Schon in der ersten Zeile wird deutlich, dass hier „mit betrachtendem Gemüte“ an die Natur herangegangen wird.
    Dann wird – typisch für Brockes – wieder ganz genau auf die Einzelheiten eingegangen,
    bevor am Ende wieder in barocktypischem Ton an Gott erinnert wird:
    „Wie sehr ich mich am Irdischen ergötze, [erfreue]
    Dacht‘ ich, hat Gott dennoch weit größre Schätze.
    Die größte Schönheit dieser Erden
    Kann mit der himmlischen doch nicht verglichen werden.“
  3. Barthold Heinrich Brockes, „Einleitung“
    https://schnell-durchblicken.de/barthold-heinrich-brockes-einleitung
    Rein fiktiv, aber sehr wirkungsvoll wird eine moderne Variante des Höhlengleichnisses präsentiert, nämlich die „Auf-Klärung“ eines Menschen, der aus dunkler Höhle in die helle Welt der Natur hinaustritt:
    „Wenn jemand irgendswo in einer Höhle, / Allwo desselben Sinn und Seele / Von aller Kreatur und allem Vorwurf leer, / In steter Dämmerung erzogen wär; / Und trät‘ auf einmahl in die Welt, / Zumal zur holden Frühlings-Zeit, / Und sähe dann der Sonnen Herrlichkeit“
    Und dann geht es hinein in die ganzen Wunder irdischer Wirklichkeit, bevor am Ende die Frage gestellt wird:
    „Und wir, die alle diese Gaben / Unstreitig üm und an uns haben, / Empfindens minder, als ein Stein; / Ja machen uns, an deren Stelle, / Das Paradeis fast selbst zur Hölle. / Was mag daran wohl Ursach seyn?“
    In dieser Frage scheint die „Erziehung des Menschengeschlechts“ schon als Ziel und Methode der Aufklärung durch.
  4. Lessing, „Der Tanzbär“
    Am Beispiel eines aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Tanzbären wird gezeigt, dass dessen scheinbarer Fortschrittsgewinn ein Verrat an der Natur ist und letztlich zu verurteilen ist.
    Zugleich kann man an dem Gedicht zeigen, was eine Fabel im Sinne der Aufklärung leisten kann.
    https://schnell-durchblicken.de/lessing-der-tanzbaer-vorstellung-einer-fabel-aus-der-zeit-der-aufklaerung
  5. Gellert, Christian Fürchtegott, „Die Biene und die Henne“
    Die Biene wird von der Henne verspottet, weil die angeblich nützlicher ist.
    Das wird natürlich widerlegt.
    Am Ende steht aber ein Lob der Dichtkunst, die solche Einsicht vermitteln kann.
    https://textaussage.de/gedichte-der-aufklaerung-ueberblick-und-beispiele
  6. Gellert, Christian Fürchtegott, „Wider den Geiz“
    Ausführliche Beweisführung mit Beispielen, wie schädlich der Geiz ist.
    Am Ende Bitte an Gott, davor bewahrt zu werden.
    Interessant ist dieses Gedicht, weil es sich wie viele philosophische Texte in allgemeinen Behauptungen ergeht.
    Die könnte man – verteilt auf Strophengruppen – mal konkret durchprüfen lassen.
    Auf der folgenden Seite gibt es Anregungen dazu.
    https://schnell-durchblicken.de/gellert-wider-den-geiz
  7. Ergänzung:
    Hier bietet es sich an, die Fabel „Der Affe und der Löwe“ von Pfeffel einzubeziehen.
    Denn dort werden die Anpassungsmechanismen beschrieben, die auch in Gellers Gedicht eine Rolle spielen.
    Denn man muss ja erst zu Reichtum kommen – um richtig geizig sein zu können.
    https://schnell-durchblicken.de/pfeffel-der-affe-und-der-loewe
  8. Gellert, „Der Bauer und sein Sohn“
    In diesem Gedicht wird eine besondere Erziehungsmethode deutlich. Dieser Bauer schlägt seinen Sohn mit den eigenen Waffen – allerdings auf problematische Weise.
    Deshalb
    Zunächst die Analyse des Inhalts des Gedichtes:
    https://schnell-durchblicken.de/gellert-der-bauer-und-sein-sohn
    Dann eine Kritik und Überlegungen zu besseren erzieherischen Lösungen:
    https://schnell-durchblicken.de/ki-mia-kritik-gellert-der-bauer-und-sein-sohn

    Gellert, „Der Schatz“ – ein typisches Lehrgedicht der Aufklärung
    Entscheidend ist dabei der Ratschlag, beim Suchen nicht „in die Ferne zu schweifen“, sondern Naheliegendes im Auge zu behalten.
    Interessant die Ablehnung des Suchens in „finstern Schriften Wust“.
    Das kann man als Ablehnung von unnötiger Buch-Weisheit – wie im Mittelalter üblich – verstehen und als Plädoyer für naheliegende Erfahrungsrecherche (Empirie).
    https://schnell-durchblicken.de/gellert-der-schatz-ein-typisches-lehrgedicht-der-aufklaerung
  9. Gellert, „Der wahre Freund“
    Ein Freund soll kritisieren und nicht falsch loben.
    https://www.epochtimes.de/feuilleton/der-wahre-freund-von-christian-fuerchtegott-gellert-a2513780.html
    Anmerkungen zu diesem Gedicht gibt es hier:
    https://textaussage.de/5-min-tipp-gellert-der-wahre-freund
  10. Gellert, „Nicht jede Besserung ist Tugend“
    These, dass manche Tugend sich von selbst im Laufe der Jahr ergibt und man deshalb nicht zu stolz darauf sein sollte.
    Die Kurzform ist hier zu finden.
    https://www.zgedichte.de/gedichte/christian-fuerchtegott-gellert/nicht-jede-besserung-ist-tugend.html

    Die Langform haben wir hier vorgestellt:
    https://schnell-durchblicken.de/gellert-wachsamkeit-mit-nicht-jede-besserung
  11. Magnus Gottfried Lichtwer, Der Hänfling
    Eine Fabel der Aufklärung, die vor extremen Lösungen warnen will.
    Man kann gut darüber diskutieren, inwieweit es sich am Ende um einen praktikablen Vorschlag handelt.
    https://schnell-durchblicken.de/fabel-lichtwer-haenfling
  12. Fabel „Das Füllen“ von von Christian Fürchtegott Gellert
    Warnung vor Aufstiegshoffnungen, deren Schattenseite man nicht durchschaut
    https://textaussage.de/schnell-durchblicken-bei-der-fabel-das-fuellen-von-gellert
  13. Lessing, Gotthold Ephraim, „Das Muster der Ehen“
    Lessing präsentiert hier das Gegenteil von dem, was die Überschrift behauptet.
    So problemlos funktioniert die Ehe nur, weil:
    „Der Mann war taub, die Frau war blind“
    Wir präsentieren das Gedicht mit interessanten Anregungen für Diskussionen und Recherchen.
    https://schnell-durchblicken.de/lessing-gotthold-ephraim-das-muster-der-ehen
  14. Ergänzung: Goethe, „Prometheus“
    Das Gedicht wird zwar normalerweise dem „Sturm und Drang“ zugeordnet. Aber man kann an ihm gut sehen, wie aufklärerisches Denken übergeht in einen Sturm von Gefühlen.
    https://schnell-durchblicken.de/goethe-prometheus-aussagen-deutung
  15. Ergänzung: Lessings Prosa-Fabel „Die Wasserschlange“ modernisiert und in Gedichtform gebracht:
    Der Weg vom alten Äsop über Lessing bis in unsere Gegenwart wird auf dieser Seite vorgestellt:
    https://schnell-durchblicken.de/lessing-die-wasserschlange-eine-fortsetzung-einer-fabel-des-griechen-aesop

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