Anders Tivag, Wenn man als Autor zum Opfer seiner selbst wird (Mat5693)

Anders Tivag

Wenn man zum Opfer seiner selbst wird …

Sicher, ich gebe zu, ich bin ein bisschen vergesslich. Aber ich tröste mit da mit einer Bemerkung Sherlock Holmes, die ich zumindest glaube, so gelesen zu haben: Wer voll konzentriert ist auf eine Sache, der hat keinen Platz mehr für Dinge, die dem nicht zuträglich sind.

Auf gut Deutsch: Konzentration führt zu Vergesslichkeit – tröstlich zu wissen.

Nun aber zur Sache:

Was ist mir passiert.

Wie einige wissen, bin ich Behelfsschriftsteller und veröffentliche gerne das eine oder andere auf Webseiten. So was nennt sich wohl heute Publisher, ich finde aber meine Bezeichnung sehr viel literarischer, also angemessener.

Ich bin auch jemand, der anderen Menschen gerne hilft, zum Beispiel, indem ich überlasteten Lehrkräften und zwangsinteressierten Schülis helfe, die richtige Kurzgeschichte für die nächste Klassenarbeit zu finden. Ich weiß, die Interessen decken sich hier nur teilweise – aber Hauptsache, es hilft und andere schließen mich in ihr weites Herz.

Tja, da ist die Fantasie wieder mit mir durchgegangen. Kann man ein Pseudonym ins Herz schließen? Ich nutze nämlich gerne eins, weil ich meine: Es kommt nur auf den Text an, ist er gut, wird er ins Herz geschlossen – aber nicht nur, weil er von einem bestimmten Autor kommt.

Außerdem kann ich als Lehrkraft so auch eigene Texte in meinen Unterricht einschmuggeln und mein Publikum weiß nicht, warum ich so gespannt dreinschaue. Auf jeden Fall bekomme ich eine ehrliche Reaktion. Vor allem dann, wenn ich den Text gleich mit einem Hinweis vorgestellt habe, der bei sensiblen Autoren eine Beleidigungsklage auslösen könnte. Hauptsache, die Humanisten unter meinen Schülis fühlen sich „bemüßigt“ – da ist ein altes Wort mit mir durchgegangen – 2. Versuch: Sie fühlen sich angeregt, den Autor gegen mich, das Pseudonym, zu verteidigen.

Ganz schön kompliziert, aber schön.

Aber ich wollte ja zur Sache kommen.

Ich stelle also eine Liste von Kurzgeschichten zusammen, in denen es um das Thema Gesellschaft geht. Um sie auch unterwegs mir mal auf die Ohren legen zu können – eine Spezialität von mir, wenn ich mich bei Spaziergängen langweile, will ich sie mir so mitnehmen, dass mein Smartphone sie mir vorlesen kann. Ich brauche also eine optisch gute Textfassung, habe aber nur einen schwachen Screenshot.

Also im Internet mal eben nach Caro Finelli, „Die Überraschung“ gesucht. Ich finde meine Interpretationen dazu – und dann sogar den Text, komplett auf einer meiner Webseiten. Himmel auch, der Mann ist bestimmt noch nicht tot – also Urheberrecht, also Probleme. Dann die langsame Erkenntnis, während ich mit dem Lesen beginne. Das ist doch dein Schreibstil, du Trottel – ich beschimpfe mich gerne selbst, weil ohne großen Schmerz, eher Entlastung. Dann fiel es mir ein: Ich habe mal ein Kurzgeschichtenbuch rausgegeben, natürlich nur Beschreibungen – wegen Urheberrecht und so. Aber einige konnten auch richtig rein – waren von mir, eben mit Pseudonym. Damit es nicht auffiel, dass da so viele Kurzgeschichten von einem Autor präsentiert wurden, habe ich einfach in den fantastisch gefüllten Topf möglicher Fantasienamen gegriffen – und ich muss wohl meine italienische Phase gehabt haben – denn „Caro Finelli“ – das klang schon nach was.

Tja, Problem gelöst – ich hatte meine Geschichte, vorlesefähig. Und wer sie auch mal lesen möchte, der findet sie auch ím Internet – ich selbst bin mein Zeuge.