Schnell durchblicken: Juli Zeh, „Corpus delicti“, Kap 6-10 (Mat2257-2)

Worum es hier geht:

Julie Zeh, „Corpus delicti“ – schneller Überblick über den Inhalt mit Schlüssel-Textstellen

  • Es gibt viele Gründe, ein literarisches Werk kurz und übersichtlich vorzustellen.
  • Meistens geht es dabei nur um den Inhalt.
  • Wir wollen hier aber zugleich auch wichtige Textstellen präsentieren.
  • Daraus ergeben sich nämlich auch schon erste Interpretationsansätze.
  • Noch wichtiger ist uns die Frage: Was fangen wir mit solchen Textstellen an? Worüber lässt sich diskutieren?

Fragen zum Text stellen wir auf der folgenden Seite zusammen:

https://www.einfach-gezeigt.de/corpus-delicti-fragen

  • Die Seitenangaben beziehen sich auf die E-Book-Ausgabe des Romans, die zum Beispiel hier zu bekommen ist.
  • Zum Teil gibt es auch nur „Positionsangaben“, die man dann mit der eigenen Ausgabe „verrechnen“ muss.
  • Die letzte Seite hat auf auf jeden Fall die Nummer 250.

Wir haben die Vorstellung des gesamten Romans auf handliche Teilseiten zerlegt.

Hier die Gesamtübersicht:

Kap 6 (S. 15ff): „Eine hübsche Geste“

  • Als Mia den Journalisten Kramer vor der Tür stehen sieht, ist sie erst mal völlig entsetzt, „dass ein Mensch, den man im Geiste schon so viele Male und auf so unterschiedliche Arten zu Tode gequält hat, plötzlich leibhaftig vor einem steht.“ (15)
  • Kramer bemüht sich dann aber um „ein bezauberndes, offenherziges Lächeln, dass ihm niemand zutrauen würde, der ihn nur aus den Medien kennt. Es ist ein Privatlächeln. Das Lächeln eines Menschen, der trotz großer Berühmtheit ganz der Alte geblieben ist.“ (15)Er streckt Mia dann sogar „die nackte Hand hin. Sie betrachtet diese Hand wie ein exotisches Insekt, bevor sie zögernd ihre Finger in seine legt.“
  • „‚Eine hübsche Geste, wie aus einem alten Film“, sagt sie. ‚Scheint mir nicht recht zu Ihnen zu passen. Haben Sie keine Angst vor meinem Infektionspotenzial?'“
  • Das Wichtigste im Leben ist Stil, Mia Holl, und Hysterie ist die schlimmste Feindin des guten Stils.“ (15/16)
  • Hier bleibt erst mal offen, ob das wirklich eine nettere, private Seite dieses Mannes ist oder nur zielgerichtete Attitude.
  • Im Folgenden geht es dann um die Ursache für Mias Hass auf diesen Mann, der mit seiner Zeitungskampagne ihren Bruder erst richtig in Schwierigkeiten gebracht hat.
  • Kramer kontert das mit dem Hinweis auf die Angelschnur, mit der Mias Bruder sich aufgehängt hat und den sie ihm heimlich zugeschoben hat.

Kap 7 (S. 19ff): „Genetischer Fingerabdruck“

  • An dieser Stelle schiebt der Erzähler eine Rückblende ein, in der es um den Vorfall geht, der Mias Bruder letztlich den Tod gebracht hat.
  • Sein Problem ist, dass ein Mädchen, das tot aufgefunden wird, sein Sperrma im Körper hat, was eine Verurteilung wegen Mordes praktisch erzwingt.
  • Ein gewisses Erstaunen löst aus, dass Moritz trotz dieser scheinbar eindeutigen Beweislage bei der Behauptung seiner Unschuld bleibt.
  • Mia stand in dieser Zeit praktisch zwischen den Fronten, und litt besonders darunter.
  • Bezeichnend für die Plastizität der Beschreibung der Welt, in der dies stattfindet, ist folgende Bemerkung über Mia:
  • „Tagsüber ging sie zur Arbeit und erfüllte ihre Leibesertüchtigungspflichten, abends fuhr sie heimlich ins Gefängnis. Statt zu schlafen, kotzte sie bei Nacht in eine Schüssel, die sie anschließend auf der Straße in einen Gully leerte, damit die Sensoren in der Toilette keine erhöhte Konzentration von Magensäure im Abwasser messen konnten.“ (20)
  • Was ihren Besucher angeht, heißt es zusammenfassend: „Kramers Berichterstattung machte selbstverständlich einen wichtigen, wenn nicht den wichtigsten Teil des medialen Diskurses aus. Er sagte und schrieb nichts anderes als das, was ein nüchterner Positivist und überzeugter Verteidiger der METHODE sagen und schreiben musste.“ (20)

Kap 8 (S. 22ff): „Keine verstiegenen Ideologie“

  • Dieses Kapitel ist besonders wichtig, weil Kramer sich hier gegenüber Mia als überzeugter Anhänger der Methode zeigt. Damit versucht er, sich ihr gegenüber zu rechtfertigen.
  • Zentrale Zitate:
    1. 22: „Unsere Gesellschaft ist am Ziel. […] Wir brauchen nicht einmal den bigotten Glauben an eine Volksherrschaft, um unser System zu legitimieren. Wir gehorchen allein der Vernunft, indem wir uns auf eine Tatsache berufen, die sich unmittelbar aus der Existenz von biologischem Leben ergibt. Denn ein Merkmal ist jedem lebenden Wesen zu eigen. Es zeichnet jedes Tier und jede Pflanze und erst recht den Menschen aus: Der unbedingte, individuelle und kollektive Überlebenswille. Ihn erheben wir zur Grundlage der großen Übereinkunft, auf die sich unsere Gesellschaft stützt.“
    • „Unser System ist perfekt, auf wundersame Weise lebensfähig und stark wie ein Körper – allerdings ebenso anfällig. Ein simpler Verstoß gegen eine der Grundregeln kann diesen Organismus schwer verletzen oder sogar töten.“
    • „Der DNA-Test ist unfehlbar. Unfehlbarkeit ist ein Grundpfeiler der METHODE. Wie sollten wir den menschen im Land die Existenz einer Regel erklären, wenn diese Regel nicht vernünftig und in allen Fällen gültig, mit anderen Worten, unfehlbar wäre? Unfehlbarkeit verlangt Konsequenz, auf die uns der gesunde Menschenverstand verpflichtet.“
  • Die ideale Geliebte dazu:
    • “ Der Mann spricht in Formeln. Der Mann ist eine Maschine.“
  • „‚Wie‘, fragt Mia, ’sollen denn Regeln, Maßnahmen, Verfahren unfehlbar sein, wenn das alles doch immer nur von Menschen ersonnen wurde?“
  • Auf die Frage, ob Mias Bruder nicht doch unschuldig sein könnte, zeigt Kramer auf, wozu das seiner Meinung nach führen würde:
  • „Zu Einzelfallentscheidungen? Zu einer Willkürherrschaft des Herzens, wie sie ein König ausüben würde, der nach Belieben gnädig und streng sein kann.“
  • Kurz darauf macht Kramer Mia den Vorschlag, an ihrem Beispiel allen zu zeigen, wie man durchaus zweifeln könne am System, am Ende es aber doch anerkennen müsse.
  • „Ein guter Bürger durchleidet Krisen und Zweifel, um danach nur noch fester zur gemeinsamen Sache zu stehen. Das könnten Sie den Menschen zeigen, Mia Holl. Denken Sie darüber nach. Es wäre nicht zu Ihrem Nachteil.“ (27)

Kap 9 (S. 30ff): „Durch Plexiglas“

Rückblick: Mia besucht ihren Bruder im Gefängnis, bekommt von ihm die fiktive „Geliebte“

und gibt ihm dafür die Angelschnur, an der er sich später aufhängt.

Kap 10 (S. 33ff): „Eine besondere Begabung für Schmerz“

Mia hat vergeblich versucht, ihre Wohnung aufzuräumen.

Mit der Geliebten spricht sie über Kramer.

„Er zieht Lust aus unbedingtem Gehorsam […] aus unbedingter Hingabe an das Prinzip.“ (34)

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